Deutsch-französische Freundschaft : Sprache als Tor zur Welt
In den vergangenen Jahren war das deutsch-französische Verhältnis angesichts der Krisen in der Welt nicht immer einfach, aber von Vertrauen und Kompromissen geprägt. Seit dem Amtsantritt von Olaf Scholz als Bundeskanzler scheint der Beziehungsstatus allerdings mehr denn je zu lauten: Es ist kompliziert. Ob bei Energie, europäischen Schuldenregeln oder gemeinsamen Verteidigungsprojekten – in vielen maßgeblichen Politikbereichen hat sich deutsch-französische Uneinigkeit breitgemacht.
Es liegt aktuell leider vieles im Argen zwischen Berlin und Paris, wo doch gerade jetzt angesichts der Vielzahl von Krisen und Herausforderungen inner- und außerhalb Europas eine starke und verlässliche deutsch-französische Freundschaft wichtiger wäre denn je.
Kulturelle Aushängeschilder
Ausgerechnet in dieser Phase sollen Goethe-Institute in Bordeaux und Lille und das Verbindungsbüro in Straßburg – wichtige kulturelle Aushängeschilder Deutschlands in Frankreich – geschlossen werden. In dieser sensiblen Phase der Partnerschaft wirkt das wie ein neuer Tiefpunkt und wie ein Verstoß gegen den Vertrag von Aachen.
Zu harten Einschnitten gezwungen wurde das Goethe-Institut durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags mit der Mehrheit der Stimmen aus der Ampel-Koalition. Getragen werden die Vorschläge auch aus dem Auswärtigen Amt. Mitbeschlossen hat sie das Präsidium des Goethe-Instituts mit namhaften Vertretern aus Gesellschaft und Kultur.
Die Kritik an den weitreichenden Beschlüssen zur Schließung vieler Institute, gerade in Frankreich und Italien, ist verständlich – sie lösen Enttäuschung, Irritation über die Schwerpunktsetzung der deutschen Außenpolitik unter Baerbock und daher auch Proteste aus.
15,3
Prozent der deutschen Schüler lernten im Schuljahr 2021/22 Französisch.
Als Mitglieder der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung erwarten wir ein klares Bekenntnis zum Aachener Vertrag und zu unserer deutsch-französischen Freundschaft, die weltweit ihresgleichen sucht.
Wenn die Bundesregierung eine Schließung von Goethe-Instituten in Frankreich einfach so hinnimmt, setzt sie das falsche Zeichen zur falschen Zeit. Diese aus Spardruck für die Organisation erfolgte Strukturreform schwächt Deutsch als Fremdsprache in Frankreich.
Wir wollen den Geist der Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft, Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, bewahren und eine „Stärkung unserer Bande in allen Bereichen“, wie im Januar 2023 zum 60. Jubiläum der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages betont wurde. Welchen Wert hat eine weiterhin starke Präsenz der Goethe-Institute in Frankreich, wie Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Treffen mit Macron in Hamburg sagte, wenn Deutschland durch ein kulturvergessenes Verhalten Frankreich als Partner brüskiert?
Diese beabsichtigte Schließung inklusive Beschwichtigungsversuchen widerspricht dem Geist des Vertrags von Aachen als Erneuerung des Élysee-Vertrages, in dem wortwörtlich steht: „Wir verpflichten uns zur Unterstützung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivität durch die Förderung von Spracherwerb und Austausch in der Berufsbildung. Die Umsetzung der Sprachstrategie ist für die Stärkung der Partnersprache insbesondere in unseren Bildungssystemen von höchster Wichtigkeit.“
Diese Strategie zur Förderung der Partnersprache wurde am 24. November 2022 durch den französischen Minister für Bildung und Jugend und den Bevollmächtigten für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen unterzeichnet mit dem Ziel, Schüler- und Studierendenzahlen, die die Partnersprache lernen, zu erhöhen. Natürlich ist das nicht alleinige Aufgabe der Goethe-Institute, sondern vieler Organisationen wie des Deutsch-Französischen Jugendwerks, des Deutsch-Französischen Instituts und der Schulen und Betriebe auf beiden Seiten.
Französisch als Fremdsprache weniger gelernt
Sprachen sind in einer bedrückenden geopolitischen Lage das Tor zur Welt, zu einer Welt der Werte – getragen von Respekt, Fairness, Toleranz und einem tiefen Verständnis für das Leben der Anderen. Leider war es um Französisch als Fremdsprache in deutschen wie französischen Klassenzimmern schon mal besser bestellt.
Im Schuljahr 2021/22 lernten 1,29 Millionen von insgesamt 8,44 Millionen Kindern und Jugendlichen an allgemeinbildenden Schulen französische Vokabeln. Das entspricht nur 15,3 Prozent. In Frankreich lernen noch weniger Kinder Deutsch. Schulen haben Schwierigkeiten, Deutschlehrer zu finden.
Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass Deutschland seinem Freund und Partner Frankreich nach wie vor eine Sonderrolle auch in der auswärtigen Kulturpolitik zuweist: Frankreich ist und bleibt das Land mit den meisten Goethe-Instituten weltweit – so wird es auch ohne Bordeaux und Lille sein. Es gibt auch künftig Institute in Paris, Lyon, Nancy, Toulouse – und in Marseille wird es weiterhin eine Außenstelle geben.
Wir betreiben in der ganzen Welt gemeinsam mit Frankreich Kulturinstitute – so viele wie mit keinem anderen Land: in Palermo, Ramallah, Atlanta und Córdoba. Weitere sollen hinzukommen, und zwar in Erbil, Rio de Janeiro, Bischkek und Glasgow.
Zwar nimmt die Nachfrage nach Deutschkursen leider ab, aber die Kultur-Zusammenarbeit ist intensiver denn je. So schaffen wir einen Werte-Transport in den meinungsbildenden Milieus beider Gesellschaften, der intensiv und gut ist. Das dichte Netz der Kunst- und Kulturarbeit in der Zivilgesellschaft trägt gerade in schwierigen Zeiten.
Kultur ist Hoffnungsträger
In Krisenzeiten ist Kultur ein Hoffnungsträger. Deshalb sollte die Bundesregierung Frankreich nicht brüskieren. Kultureller Austausch und Sprachvermittlung sind wichtige Fundamente der engen deutsch-französischen Freundschaft. Setzen wir diese Errungenschaft nicht leichtfertig aufs Spiel, sondern sagen wir Ja zur Freundschaft mit Frankreich.
So haben wir es auch in einem gemeinsamen Antrag in der Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung in Bonn gefordert und es zum Thema gemacht in der Anhörung der Bevollmächtigten für die deutsch-französischen kulturellen Beziehungen, Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, und des französischen Bildungsministers, Gabriel Attal.