Selten Spektakel, aber trotzdem historisch
Rein statistisch ist diese EM fast schon wieder vorbei, sportlich hingegen geht sie erst so richtig los. 36 der 51 Spiele sind absolviert, nur um in der Vorrunde acht Teams zu ermitteln, die nach Hause fahren müssen. Dabei wurde (Süd-)Osteuropa ziemlich gerupft: Russland, Polen, die Slowakei, Nordmazedonien, Ungarn und die Türkei sind ausgeschieden. Dazu kommen Finnland und als einzige westeuropäische Mannschaft Schottland.
Spielerisch bot die Gruppenphase viel Mittelmaß und kaum Unerwartetes. Bezeichnenderweise sind mit Finnland und der Slowakei die beiden Teams ausgeschieden, denen in der Vorrunde die einzigen wirklichen Überraschungssiege gelangen. Ansonsten haben sich alle Favoriten durchgesetzt und wurden bis auf Spanien auch durchweg Gruppensieger.
Emotional war die Vorrunde dennoch, das hatte allerdings nicht unbedingt immer etwas mit dem Fußball an sich tun. Erinnert sei an die dramatischen Szenen um Christian Eriksen oder die große Regenbogendebatte vor dem Spiel der Ungarn gegen Deutschland in München. Die deutsche Mannschaft war auch maßgeblich für das wohl beste Spiel der Gruppenphase verantwortlich, das 4:2 gegen Portugal war eines der wenigen wirklich mitreißenden Duelle bislang.
Dafür gab es reichlich Elfmeter und erstaunlich viele Eigentore. 14 Mal zeigten die Schiedsrichter auf den Punkt, alleine Cristiano Ronaldo verwandelte drei Strafstöße. Bemerkenswerte sechs Elfmeter wurden verschossen, die Spanier vergaben gleich deren zwei. Dazu kamen sieben Eigentore und damit so viele wie bei den fünf EM-Endrunden zuvor zusammen. Drei Torhüter zählten zu den Pechvögeln – bisher hatte es bei Europameisterschaften noch nie ein Eigentor eines Keepers gegeben.
14 Elfmeter und sieben Eigentore gab es in der Vorrunde
Neu ist auch der Videobeweis, erstmals gibt es den bei einer EM. Und gefühlt wurde der auch in jedem Spiel mindestens einmal bemüht. Fehlentscheidungen konnten so allerdings beinahe komplett verhindert werden, der Spielfluss litt zuweilen allerdings beträchtlich.
Allein im Duell Portugal gegen Frankreich am Mittwoch gab es drei Elfmeter, die alle noch einmal überprüft werden mussten. Und selbst das einzige Tor dieser Partie aus dem Spiel heraus von Karim Benzema zählte erst nach dem sogenannten „Goal Check“ des Videoschiedsrichters.
Nun geht es ins Achtelfinale. Nach den bisher gezeigten Leistungen drängen sich Italien und Belgien als Topfavoriten auf. Die Italiener können auf die vielleicht beste Defensive aller Teams zählen, auch wenn die bisher kaum gefordert wurde.
Die Belgier haben dafür mit Kevin De Bruyne den derzeit womöglich stärksten Fußballer in ihren Reihen. De Bruyne spielte in der Gruppenphase nur drei Halbzeiten und stellte dennoch so ziemlich jeden anderen offensiv ausgerichteten Spieler bei dieser EM in den Schatten. Problem: Italien und Belgien würden bereits in einem möglichen Viertelfinale aufeinandertreffen.
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Auch Schweden und England wären als Nummer vier und fünf der Vorrunde bereits in der Runde der letzten acht Gegner. Ungeschlagen sind auch Frankreich und Spanien – auch dieses Duell könnte es schon im Viertelfinale geben. Den vermeintlich bequemsten Weg zumindest mal bis ins Halbfinale hätten die Holländer, die makellos durch die Vorrunde rauschten.
Und Deutschland? Könnte die Rolle von Portugal einnehmen, das bei der letzten EM vor fünf Jahren nach drei Unentschieden in der Vorrunde am Ende den Titel holte und dabei insgesamt nur einmal nach regulärer Spielzeit gewinnen konnte. Das immerhin hat die deutsche Mannschaft ja bereits geschafft.