Stillstand beim Rundfunkbeitrag: „Wir müssen am Ball bleiben“
Das durch Staatsverträge und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit Jahrzehnten geprägte Verfahren einer unabhängigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird derzeit nicht eingehalten, hat Marlehn Thieme, die scheidende ZDF-Fernsehratsvorsitzende, am Freitag in einem Pressegespräch moniert. Zugleich wies sie auf die Bedeutung der sicheren Finanzgrundlage für die Digitalisierung und die weitere Akzeptanz der Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Sender hin.
Es sei unverzichtbar, „dass wir hier am Ball bleiben“, sagte Thieme, die zusammen mit anderen Vertretern aus den Rundfunk- und Verwaltungsräten von ARD, ZDF und Deutschlandradio die Regierungschefs und Chefin der Länder in einem Appell aufgerufen hat, die von der KEF empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrages zum 1. Januar 2025 rechtzeitig umzusetzen.
Die Juristin und Präsidentin der Welthungerhilfe Marlehn Thieme gehört dem ZDF-Fernsehrat seit 2004 an. Sie wurde von der Evangelischen Kirche Deutschlands in das Gremium entsandt. In den vergangenen acht Jahren hat sie das ehrenamtliche Gremium geleitet und wird nach der Wahl eines Nachfolgers diesen Posten nun voraussichtlich Anfang Juli abgegeben.
Nominell ist der Rundfunkbeitrag seit 2004 nur um 0,6 Prozent gestiegen
Thieme erinnerte an eine Berechnung des KEF-Vorsitzenden Martin Detzel, nach der der Rundfunkbeitrag seit 2004 nominell nur um 0,6 Prozentpunkte gestiegen sei, bei einer gleichzeitigen Verringerung der Kaufkraft um 25 Prozent. „Das bedeutet, wir haben seit 20 Jahren de facto Beitragsstabilität“.
Wenn die Medienpolitik der Länder die Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks senken wolle, müsse sie die Programmaufträge anpassen, sagte Thieme. Die Flexibilisierung einzelner linearer Digitalkanäle sei vielleicht populär, aber aus Sicht des Fernsehrates ungeeignet.
Die eigentliche Herausforderung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht Thieme besonders im Wettbewerb mit den Megaplattformen aus den USA und China mit ihren kommerziell ausgerichteten Algorithmen. Darum sei der Fernsehrat ZDF-Intendant Norbert Himmler und ARD-Chef Kai Gniffke dankbar für das Angebot, die Mediatheken hin zu einem Open Source Angebot zu öffnen. Der progressive Wille der Rundfunkanstalten von ARD und ZDF zu mehr digitaler Kooperation dürfe dabei durch nichts erschwert werden darf, „auch nicht durch Kosteneinsparungen“.
Thieme verweist zum Ende ihrer Amtszeit als Fernsehratschefin des ZDF auf die rasanten technologischen Veränderungen und die geänderten Nutzungsgewohnheiten besonders der jüngeren Generation. Diese Entwicklungen müsse man wahrnehmen und zugleich konstatieren, dass dennoch „die weit überwiegende Mehrheit der Menschen in unserem Land“ lineares Fernsehen konsumiert, selbst wenn sie es auf Digitalem Wegen empfangen.
Der Fernsehrat ist nach Thiemes Worten in den zurückliegenden Jahren jünger und weiblicher geworden. Er werde stärker von den Vertretern der zivilgesellschaftlichen Organisationen geprägt, seine Arbeit sei für Außenstehende transparenter geworden, auch durch Live-Streams seit der Corona-Pandemie oder einem Newsletter des Gremiums. Es sei gelungen, Verfahren zu entwickeln, um den Erfolg des Programms anhand objektiver Zahlen zu messen, die jenseits der Einschaltquote auch Relevanz und Vielfalt erfassen könnten.