Daniel Barenboims neues Orchester: Debüt mit Mozart und Schubert

Natürlich gibt es am Ende einen Riesenjubel. Denn jeder Auftritt von Daniel Barenboim ist jetzt ein Fest. Viele hatten befürchtet, dass die schwere Krankheit das Ende seiner Karriere bedeuten könnte – doch er hat sich zurückgekämpft aufs Podium, kann wieder Konzerte dirigieren.

Und das muss gefeiert werden. Vor allem an diesem Ostersamstag, als der Maestro im Pierre Boulez Saal ein neues Orchester vorstellt: Es formiert sich aus Studierenden der Barenboim-Said-Akademie, gegründet als Hochschule für Hochtalentierte aus den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Sie verstetigt die Arbeit, die Barenboim seit 1999 mit dem West-Eastern Divan Orchestra leistet, und zählt damit zu den wichtigen Säulen seines Lebenswerkes.

Barenboim dirigiert mit minimaler Gestik

Und doch ist da an diesem Freudentag auch ein Moment des Erschreckens: Noch einmal deutlich gealtert wirkt Barenboim seit seinem letzten Berliner Auftritt, seine Gesichtszüge erinnern jetzt deutlich an jene des Komponisten Anton Bruckner in dessen letzten Jahren.

Extrem langsam referiert er zu Beginn die Entstehungsgeschichte des Akademieorchesters, durchsetzt von langen Sprechpausen, so dass die Rede sich auf 20 Minuten streckt. Weil Daniel Barenboim zudem das Mikrofon dauerhaft in die falsche Richtung hält, ist er schwer zu verstehen, obwohl es mucksmäuschenstill ist im ausverkauften Saal.

Zwischenbericht aus der akademischen Arbeit

Schließlich aber besteigt er doch noch seinen Dirigierstuhl: Mozarts „Sinfonia concertante“ und die Dritte von Franz Schubert hat er ausgewählt für das Debüt der jungen Leute. Eine klingende Momentaufnahme ist da zu erleben, ein Zwischenergebnis der akademischen Arbeit, ein Bericht aus den Mühen der Ebene.

Um aus musizierenden Menschen ein Orchester zu formen, einen Klangkörper, zu dem sich Individuen freiwillig zusammenfügen, braucht es viel gemeinsame Arbeit, viel kollektiv vergossenen Schweiß. Selbst wenn ein Altmeister wie Daniel Barenboim den Taktstock führt.

Seine inzwischen aufs Minimale reduzierte Gestik ist für die jungen Männer und Frauen – 38 bei Mozart, 47 dann bei Schubert – eine zusätzliche Herausforderung. Bei dieser spartanischen Zeichengebung muss vieles erahnt, intuitiv erspürt werden, wenn es um Klangbalance geht oder interpretatorische Nuancen. Was schon erfahrene Profis herausfordert.

Schüchtern klingt darum so Manches in der „Sinfonia concertante“, gewissenhaft einstudiert, aber nicht gefühlt, ohne Witz und Verve, ja manchmal sogar ein wenig altbacken. Wenig belebend wirken die beiden Solisten Yamen Saadi an der Geige und Michael Barenboim an der Bratsche: Freundschaftlich musizieren sie zusammen, ganz ohne Eitelkeit, wie geistreiche Gelehrte beim höflichen Austausch von wohl abgewogenen Argumenten.

Auch bei Schuberts 3. Sinfonie ist das Ganze dann leider nicht mehr als die Summe seiner Teile. Holzschnittartig bleibt der Kopfsatz, das bezaubernde Allegretto könnte deutlich eleganter klingen. Immerhin gelingen hier mehr Spannungsbögen, bekommt die Musik Richtung und Ziel.

Wie in Holzschuhen getanzt kommt zunächst das Menuett daher, bevor im walzerseligen Trio kurz der orchestrale Idealzustand aufblitzt – dass alle Beteiligten auf einem gemeinsamen Atem schwingen. Dann aber rauscht die Sinfonie auch schon rustikal ihrem Ende zu. Und natürlich gibt es einen Riesenjubel. Denn jeder Auftritt von Daniel Barenboim ist ein jetzt Fest.

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