Auch du in Arkadien

Reine Unterhaltungsprogramme sind selten in Klassiktempeln. Dorothee Oberlinger und ihr Ensemble 1700 schert das nicht weiter, sie sorgen im Rahmen der Staatsopern-Barocktage für gehöriges Amüsement. Mit quäkendem Dudelsack betritt François Lazarevitch den Pierre Boulez Saal ( beziehungsweise mit der etwas nobleren Musette, die aber genauso quäkt) und sagt die ersten Titel in verschnörkeltem Conferencier-Französisch an, als sei er der Zirkusdirektor und der Boulez Saal seine Manege.

Hin und wieder testet er den Blasebalg auch zwischen den Sätzen, es soll schließlich klappen mit der Luftzufuhr unter den Achseln. Heiterkeit im Publikum.

Die Blockflötistin Potsdamer Musikfestsspielleiterin Oberlinger und ihre weiteren Mitstreiter:innen – der Geiger Evgeny Sviridov, die Gambistin Hille Perl, der Lautenist Axel Wolf, Olga Watts am Cembalo, allesamt Koryphäen ihres Fachs – stimmen ebenfalls denkbar muntere Töne an. Das Programm versammelt französischen Barock von Nicolas Chédeville, Michelle Corrette, Francois Couperin, Marin Marais und einigen mehr: arkadische Szenen, Schäferstündchen, Dorftanzmusik.

Eine Einladung zur Landpartie also. Wobei die Realität in der Agrarwelt des 18. Jahrhunderts gewiss anders aussah. Eher evoziert die Musik die ländlichen Szenerie von Watteau-Gemälden, worauf Oberlinger zur Halbzeit auch explizit verweist.

Spaß muss sein: Echo-Spiele und Vivaldis “Jahreszeiten” mit Spieluhr-Anmutung

Neben der höfischen Illusion einer idyllischen Natur ist auch Humor mit von der Partie. Etwa wenn Oberlinger und Lazarevitch (jetzt mit Traversflöte) im Echo- Stück von Jacques-Martin Hotteterre spitzbübisch Fangen spielen oder die Melodieinstrumente in Couperins „Le Tic Toc Choc“ im Nähmaschinentempo umeinander wirbeln, auf hingetupftem Pizzicatogrund.

Und bei Chédevilles Bearbeitung der „Vier Jahreszeiten“ mit reichlich Vogelgezwitscher im „Frühling“ verleihen die Orgelpunkten der, nun ja, penetranten Musette Vivaldis Topschlager der Barockzeit die Anmutung von Automatenmusik.

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Das kreiselt, dreht Schleifen, windet Girlanden und kommt nicht vom Fleck, wie sehr die sechs auch das Tempo beschleunigen. Die Kreisbewegung findet sich in der Bogenform der Pastoralstücke, Sonaten und in Marais’ „La Follia“-Variationen (auch so ein Barock-Hit) mit Hille Perls fulminanter Gambe genauso wie in der repetitiven Melodik und der Musikerrunde mit dem Cembalo im Zentrum.

Redundanz kann wunderbar sein. Jedenfalls wenn sie so heiter und bei aller Unbekümmertheit doch makellos vorgetragen wird. Als sei saubere Intonation bei Originalklang-Instrumenten ein Kinderspiel. Und als sei es keine hohe Kunst, kapriziösen Instrumenten wie der Sopran- oder Altblockflöte vielfältige Verzierungen, Farbnuancen und Stimmungswechsel zu entlocken, so wie Dorothee Oberlinger es in bewährter Manier tut.

Nach dem Konzert, wieder auf der Straße, reibt man sich dann doch die Ohren. Kann es sein, dass man die ganze Zeit ausschließlich G-Dur gehört hat, 90 Minuten lang jene eine Tonart, die Feierlaune verbreitet?