Als die Kalligraphie zur Keramik kam
Die islamische Revolution von 1979 bestimmt bis heute unser Bild vom Iran. Dabei hat das Land mit seiner über 5000-jährigen Geschichte vieles zu bieten, was uns staunen lässt und worauf Iraner:innen stolz sind. Das Museum für Islamische Kunst und die Sarikhani Collection aus London geben nun zum ersten Mal in Berlin mit der prächtigen Ausstellung „Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden“ einen exzellenten Überblick über die hierzulande fast unbekannte Kulturlandschaft, die weit über den heutigen Iran hinausreicht. In der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel sind über 360 Exponate aus beiden Sammlungen zu bewundern.
Bereits die hohen Keramikgefäße in der ersten Vitrine demonstrieren die handwerklichen Fertigkeiten. Bemerkenswert ist das Dekor aus Dreiecken und Steinböcken, die immer wieder auftauchen. Steinböcke, im Hochland des Iran keine Seltenheit, symbolisieren Schutz und Kraft. Susa war bereits 4000 vor Christus eines der regionalen Zentren des heutigen Iran nahe der Grenze zum heutigen Irak.
Eine geheimnisvolle Stimmung macht sich in den Galerieräumen breit, die in ein blaues Licht getaucht sind; ebenso sind die Vitrinen blau ausgeschlagen. In zum Teil wandhohen Fotos, Texten und Grafiken erfahren die Besucher:innen mehr über Kontext der ausgestellten Objekte, sie erschließen Handelswege und internationale Verbindungen.
Goldobjekte, Bronzeäxte mit verzierten Köpfen und Kompositfiguren bezeugen das große handwerkliche Können dieser Reiche, die schon vor 6000 Jahren als Stadtstaaten existierten. Das Gebiet profitierte von seiner zentralen Lage zwischen China und Europa in der Nachbarschaft zu Indien und Mesopotamien. Sämtliche Herrscher waren offen für Einflüsse von außen. Das Gebiet des heutigen Iran war schon früh eine Drehscheibe der Kulturen, eine Kontaktzone für Handel, Ideenaustausch und technisches Knowhow. Landkarten an den Wänden illustrieren den globalen Aspekt der jeweiligen Epoche. So adaptierte man im Reich von Elam die Keilschrift aus Mesopotamien, die endgültige Entschlüsselung aber steht noch aus.
Der Besucher wird chronologisch durch die iranische Kulturgeschichte geführt, vorbei am Reich von Luristan, auf das Assyrer, Babylonier und Elamer mit Verachtung niederschauten, besaß es doch keine Schrift. Dafür gab es in Luristan großartige Handwerker, wie prächtig reliefierte Goldbecher belegen. Stiefelgefäße und Schnabelkannen gehörten zu den Exportschlagern des Landes, Objekte aus dem 8. Jahrhundert vor Christus wurden auf Samos gefunden. Das Reich von Marlik zeichnete sich aus durch Keramikgefäße in Tierform mit extrem langen Schnäbeln zum rituellen Ausgießen von Flüssigkeiten.
Die Ausstellung ist imponierend
Die Kontakte etwa aus dem Reich der Achämeniden reichten bis nach Griechenland. Die Griechen verachteten sie zwar, aber schätzten ihre prächtige persische Hofhaltung. Auch hier tauchen Steinböcke als Symbol der Macht auf. Berühmt ist vor allem die Steinmetzkunst in der Hauptstadt Persepolis.
Bei den nachfolgenden Sasaniden reichten die Beziehungen bis nach Indien, wie aufgefundene Goldobjekte bezeugen. Unter ihnen entwickelte sich ab 224 nach Christus zum ersten Mal so etwas wie eine persische Identität. Die Parther handelten mit Rom, China und Indien, in ihrer Zeit schritt die Helenisierung des Nahen Ostens voran.
[James-Simon-Galerie, Bodestr. 1, bis 20.3.; Di-So 10-18 Uhr. Katalog 49,90 €.]
Wer dies alles genau studieren will, sollte Zeit mitbringen, um die Abfolge der Epochen nachvollziehen zu können. Die für westliche Besucher:innen eher unbekannten Hochkulturen beeindrucken. Mit der arabischen Eroberung hält der Islam Einzug, die alten Götter Babyloniens verlieren an Bedeutung. Eine neue Zeit bricht an, die sich in der Baukunst mit Lüsterfliesen und raffinierter Keramik niederschlägt. Die Schrift gewinnt an Bedeutung für kostbare Korane. Die weiße Quarzfritte-Keramik mit blauem Dekor wird zunehmend mit Kalligraphie verziert und ein Exportschlager.
Die Ausstellung zeigt imponierend, wie Offenheit und internationale Kontakte zur Bereicherung der Kulturlandschaft geführt haben – Migration als Erweiterung. Das wird vor allem in den Städten entlang der Seidenstraße deutlich, an der im Mittelalter eine persisch-islamische Kultur entsteht. Keramik und Buchkunst kommen zu großer Blüte. Unter den Safawiden lassen sich im 17. Jahrhundert auch englische und niederländische Maler in Isfahan nieder, die wiederum heimische Künstler zu einem europäisierenden Stil animieren.
Die Entdeckungsreise in die iranische Kulturlandschaft inspiriert. Sie lädt nach dem ersten Besuch unbedingt zum Wiederkommen ein. Es gibt noch viel zu entdecken.