Die Spiele in Peking drohen wegen Corona zur sportlichen Farce zu werden
Im alpinen Skisport führt seit Wochen das Virus Regie, was die Startlisten betrifft. Beim Weltcup-Slalom am Dienstag in Zagreb wurden drei Schweizer Spitzenfahrerinnen positiv getestet, auch Weltmeisterin Lara Gut-Behrami fiel wegen eines positiven Corona-Tests weiter aus. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Infektionen auch bei den Herren in die Höhe schnellen“, hatte Markus Waldner, Renndirektor des Ski-Weltverbandes Fis, erst kürzlich gesagt, der Ski-Weltcup hänge „am seidenen Faden.“
In einem Monat, am 4. Februar, soll die Jagd auf Medaillen in Peking beginnen. Doch aktuell stellt sich die Frage, wer dann überhaupt mitmachen kann. Der Wintersport wird aktuell durch das Virus arg gebeutelt: Veranstaltungen fallen aus, werden abgebrochen oder wanken gewaltig, weil ein Teil der besten Sportler*innen in der Quarantäne ist.
Neben der aktuellen politischen Diskussion um China ist die Frage, ob Winterspiele in dieser Situation überhaupt Sinn machen. Viele der besten Athletinnen und Athleten werden in Peking nicht dabei sein können. So viel ist einen Monat vor dem avisierten Beginn der Spiele sicher.
Fis-Renndirektor Waldner sagte nun: „Sollten wir bis Olympia im Februar heil durchkommen und dort wirklich alle weltbesten Athleten am Start stehen, dann grenzt das an ein Wunder.“ Ähnlich verhält es sich in anderen Sportarten, im Eishockey hat die nordamerikanische Profiliga NHL kürzlich beschlossen, ihre Liga nicht für die Spiele pausieren zu lassen – auch weil sie angesichts der vielen coronabedingten Spielausfälle den eigenen Spielplan kaum durchbekommt.
Und was passieren kann, wenn das Virus bei einem Turnier wütet, zeigte sich erst jetzt bei der U-20-WM in Kanada: Nachdem drei Teams in Quarantäne waren, wurde das Turnier abgebrochen. Auch so etwas könnte beim Olympischen Turnier in Peking drohen.
Kakerlaken im Quarantänehotel
Eishockeynationalspieler Marcel Noebels von den Eisbären Berlin sagte dem Tagesspiegel: „Bedenken habe ich natürlich auch.“ Er glaube aber, dass die Verantwortlichen alles dafür tun würden, „damit wir den Kopf für das Sportliche frei haben und befreit aufspielen können“. Aber da ist auch die Angst der Sportler*innen vor einer Infektion bei den Spielen, in China gehen sie dann nicht gerade zimperlich mit den Betroffenen um.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Skeleton-Weltmeister Christoph Grotheer sagte angesichts drohender Konsequenzen eines positiven Corona-Tests bei den Spielen: „Es geht nicht spurlos an einem Sportler vorbei, wenn man hört, wie mit den Rennrodlern umgegangen wurde.“ Es sein für ihn „eine Horrorvorstellung, in Peking einen positiven Corona-Test zu haben“. Rodel-Doppelsitzer Tobias Arlt hat vor ein paar Wochen so seine Erfahrungen gemacht in Peking.
Er wurde nach einem falschen Testergebnis für zwei Tage in einem etwas anderen Quarantänehotel untergebracht und filmte, wie sich die Kakerlaken auf seine Bett tummelten. „Ich dachte, dass ist nicht euer Ernst, dass ich hier eingesperrt bin“, sagte Arlt im ZDF. Wenn er dann wirklich positiv getestet werde, dann müsse er womöglich 21 Tage unter solchen Bedingungen leben. Das sei für ihn unvorstellbar.
Eishockey-Profi Noebels, vor vier Jahren in Südkorea Silbermedaillengewinner mit dem deutschen Team, sagt dennoch: „Das ist ein Highlight meiner Karriere, deshalb freue ich mich sehr darauf.“ Vielen anderen Sportler*innen geht es ähnlich. Trainingspläne werden so geschrieben, dass bei Olympia Höchstleistungen abgerufen werden können. Was zur Folge hat, dass der Alltag und somit auch das Privatleben diesem Ereignis untergeordnet werden.
Das Berliner Eiskunstlaufpaar Minerva Hase/Nolan Seegert etwa pendelt seit Monaten zwischen Berlin und Sotschi in Russland, um in Peking eine gute Figur abzugeben. Hase sagt: „Du trainierst dein ganzes Leben dafür, das einmal zu erreichen. Es ist ein gutes Gefühl, dass sich die harte Arbeit auszahlt. Es schaffen nicht so viele Sportler, dorthin zu kommen.“
Gefahr von Angstzuständen
Der Wahlberliner Martin Hyun, vor vier Jahren bei den Spielen in Pyeongchang Berater beim Bau der Eishallen, sagt dem Tagesspiegel: „Es wird trotz Bubble positive Fälle bei den Spielen geben. Wir erleben, was derzeit in China passiert, wenn es Fälle gibt – aktuell in der Stadt Xi’an, die sich im harten Lockdown befindet.“
In Tokio seien die Spiele 2020 auch kurzfristig abgesagt und 2021 nachgeholt worden. „Es wäre auch für Peking besser, die Spiele auf einem Zeitpunkt verschieben, der insbesondere für die Athleten sicherer ist.“
So lange allerdings an der Austragung festgehalten wird, bleibt allen Teilnehmenden nichts anderes übrig, als die Gefahren einer Infektion bestmöglich auszuschließen. Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder sagt: „Das geht schon an die Psyche des Einzelnen. Es droht auch die Gefahr, in Angstzustände zu verfallen. Das ist ein schmaler Grat, auf dem jeder Einzelne wandelt.“
Denn eine Infektion würde in dieser kräftezehrenden Disziplin wohl das Olympia-Aus bedeuten.