Lizzo ist auf Sommerhit-Kurs
Ganz kurz verliert sie die Fassung. Und das kommt bei Lizzo wahrlich nicht oft vor. Doch als TV-Moderator James Corden in einer seiner „Carpool Karaoke“-Folgen mit der Sängerin durch Los Angeles fährt und sie fragt, ob er mal eben bei Beyoncé anrufen soll, flackert Panik durch Lizzos Blick.
„Mach mir keine Angst“, sagt sie. Cordon zückt sein Telefon und fragt nochmal, ob er den Megastar anrufen soll. Lizzo bringt ein schüchternes „Ja“ hervor, dann löst Cordon die Spannung: „Ich mache Spaß, ich habe ihre Nummer gar nicht“. So ein Schock! Da hilft es, gleich mal „Crazy In Love“ aufzudrehen und laut mitzusingen – definitiv ein „Carpool Karaoke“-Highlight.
Drei Grammys hat Lizzo gewonnen
Beyoncé ist Lizzos Idol. Mit ihrer Musik durchstand sie schlimme Krisen, wegen ihr wollte sie Sängerin werden. Im Gespräch mit Corden sagt sie: „Ich möchte bei den Menschen genauso starke Gefühle auslösen wie sie“. Dieses Ziel hat die 1988 in Detroit geborene und in Houston aufgewachsene Musikerin, die bürgerlich Melissa Jefferson heißt, spätestens mit ihrem vor drei Jahren veröffentlichten Album „Cuz I Love You“ erreicht. Hits wie „Juice“ oder das ältere „Good As Hell“ katapultierten sie in die A-Liga des US-amerikanischen Popgeschäfts.
Sie gewann drei Grammys, war auf dem Cover von „Time“ und „Vogue“ und hat ihre eigene Castingshow. Beyoncé konnte sie zwar nicht einholen – die spielt eh in ihrer eigenen Klasse – doch Lizzo steht in einem ähnlichen Maß für weibliches Empowerment.
Ein kraftvoller Beweis dafür ist ihr gerade erschienenes viertes Album „Special“ (Warner), mit dem sie exakt da weitermacht, wo sie bei „Cuz I Love You“ aufgehört hat. Die großen Themen sind wieder Selbstliebe, die Feier von Frauen, Freundschaft und Body Positivity.
Als „big black girl“ wie sie sich selbst bezeichnet, hat Lizzo viel Ablehnung und Einsamkeit erfahren, wogegen sie mit ihren liebevollen Lyrics ansingt. Exemplarisch der Titelsong des Albums, in dessen Refrain es heißt: „In case nobody told you today/ You’re special / In case nobody made you believe/ You’re special/ Well, I will always love you the same“. Es ist ein Instant-Ohrwurm, toller Pop, stark gesungen.
Dasselbe gilt für die Single „About Damn Time“, die mit ihrem funky Discovibe an „Juice“ anschließt und auf Youtube schon 58 Millionen mal angeklickt wurde. Das Stück klingt wie eine Hommage an Chic, zumal Lizzo gegen Ende die Zeile „I’m coming out tonight“ mehrmals wiederholt und damit einen Bogen zu dem von Nile Rodgers und Bernard Edwards produzierten Diana-Ross-Hit schlägt.
Dass Lizzo sich selbst in diese große Traditionslinie stellt, mag frech erscheinen, doch der Song trägt es. Ein Sommerhit-Anwärter ist er allemal, wozu übrigens auch Lizzos Querflöten-Akzente beitragen. Davon hätte man gern mehr gehört auf der mit 35 Minuten knackig-kompakten Platte. Allerdings konzentriert Lizzo sich ansonsten aufs Singen, auch auf Rap-Parts verzichtet sie fast völlig und entfernt sich damit weiter von ihren Anfängen.
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Untreu wird sich Lizzo aber nicht, im Gegenteil, sie klingt als sei sie jetzt ganz bei sich. Und es macht Spaß, ihr dabei zuzuhören. Schon im Eröffnungssong „The Sign“ verbreitet sie mit Uh-Uh-Shouts und einem humorvollen Text über ihre eigene Großartigkeit derart gute Laune, dass man das Stück gleich nochmal hören möchte.
Denselben Effekt hat das Dancepopstück „2 Be Loved (I’m Ready)“, das mit seinem fetten Bass und den kühlen Synthies auf die Achtziger verweist – ganz ähnlich hat das Dua Lipa auf ihrem großartigen letzten Album gemacht. Die Achtziger scheinen immer wieder durch auf „Special“, das in der ersten Hälfte von Uptempo-Nummern geprägt ist.
Dass sie auch das Balladen-Fach weiterhin beherrscht, zeigt Lizzo im ruhigeren zweiten Teil, in dem sie etwa mit „Naked“ an den Hit-Heuler „Cuz I Love You“ anknüpft. Streicher, Chöre und die leidenschaftlich vorgetragenen Zeilen „Love how you look at me naked/ Come make this body feel sacred/ I’m a big girl, can you take it“ machen das Drama perfekt. Der Song könnte in einigen Jahren vielleicht in James Cordens Auto laufen, wenn er einen Star herumfährt – und vorschlägt, Lizzo anzurufen.