Die Spuren von Berlins wechselhafter Vergangenheit: Hinter herumliegenden Granitsteinen lauert Geschichte
Einer der besten der vielen guten Sätze über Berlin lautet: „Misstraut den Grünanlagen”. Damit beginnt Heinz Knoblochs brillantes Buch „Herr Moses in Berlin”, erschienen 1979. Er – Knobloch, nicht Moses Mendelssohn – war in der DDR dank seiner vielen Glossen in der unvergessenen Wochenpost so berühmt, dass er in Maßen sogar Kritik an der Zensur vorbeischmuggeln konnte.
Schon im Satz „Misstraut den Grünanlagen” versteckt sie sich. Ließ die DDR doch ungeliebte Teile der Geschichte gerne mit Grün überwachsen. Etwa die Berliner Altstadt mit ihren Erinnerungen an bürgerliche, kirchliche, hohenzollerische, jüdische Geschichte, an die Nazizeit, die die DDR-Planungen erst möglich machte. Diese Grünzonen im Stadtgewebe gibt es immer noch.
Die Bundesrepublik war in dieser Hinsicht auch nicht besser, wie sich am begrünten Parkplatz neben dem Martin-Gropius-Bau erweist. Ihn gibt es seit den späten 1980ern. Unter den hohen Büschen am Bürgersteig der Kreuzung von Niederkirchnerstraße und Stresemannstraße liegen einige breite, gerundete Steinblöcke. Es dürfte sich dabei um die letzten baulichen Reste des einstigen Völkerkundemuseums handeln, das 1886 eingeweiht wurde. Ein kleines Schild klärt darüber auf.
1961
wurden die Reste des Königlichen Museums für Völkerkunde gesprengt
Allerdings fehlt die Information, dass die klaren Neurenaissance-Fassaden des Museums – entworfen vom heute weitgehend vergessenen Büro Ende & Böckmann – eine Revolution im Berliner Bauwesen waren. Statt erstarrtem Schinkelschüler-Klassizismus bewiesen sie Lust an der Form, am Material, am Raum. Berlins prachtvoller Hochhistorismus, der bis zum Dom führte, begann hier.
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Doch 1961 wurde der Bau auf Betreiben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gesprengt. Nicht etwa, um sich zu entschulden für das Mittun der Ethnologie am Kolonial-Unrecht. Nein, hier wirkten der blanke Hass der Nachkriegszeit auf den Historismus und die Sehnsucht, am West-Berliner Kulturforum die Museumsgeschichte ganz neu beginnen zu lassen.