Warum kündigt jemand beim besten Orchester der Welt?

Man mag es kaum glauben, aber es kommt tatsächlich immer wieder vor, dass bei der Intendanz der Berliner Philharmoniker Kündigungsschreiben eingehen – von Musikern und Musikerinnen, die das beste Orchester der Welt verlassen wollen. Die sich entschieden haben, einen Job aufzugeben, um den sie Abertausende andere Klassikprofis beneiden.

Meist steht ein Karrierewechsel dahinter: Soloflötist Emmanuel Pahud nahm eine Professur an, kehrte aber bald reuemütig zurück. Die Konzertmeister Kolja Blacher und Guy Braunstein wollten lieber als Solisten reüssieren, ihr Kollege Toru Yasunaga verabschiedete sich mit 58 Jahren, weil er seiner Frau versprochen hatte, in diesem Alter zurück in ihre gemeinsame Heimat Japan zu gehen.

Und dann gibt es auch noch jene Musiker, die es aufs Dirigentenpodium zieht, bei den Berliner Philharmonikern waren das unter anderen der Klarinettist Karl-Heinz Steffens, der Schlagzeuger Gernot Schulz und der Kontrabassist Nabil Shehata.

Er spürt hier sehr viel “männliche Energie”

Mor Biron dagegen hat nach 15 Jahren bei den Berliner gekündigt, weil er sich nicht mehr am richtigen Platz fühlte. „Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr im Einklang mit meinen Überzeugungen leben und arbeiten möchte“, sagte der 39-Jährige dem Online-Klassikmagazin „Van“.

2004 war er Stipendiat der Karajan-Akademie geworden, nach einer Station als Solo-Fagottist in Valencia bekam er 2007 einen Vertrag als festes Mitglied der Philharmoniker.

„Ich möchte mehr eine ,weibliche’ Seite der Kunst suchen, eine weiche, fragile Seite, mit Menschen, die Musik machen, um andere zu berühren, nicht um der Karriere willen“, führt er in dem Interview weiter aus. Bei den Philharmoniker sei dagegen vor allem „viel männliche Energie“ zu spüren.

Mor Biron will Musik nicht als “Dienst” machen

Diesem Druck wollte sich der israelische Musiker nicht bis zur Rente aussetzen. Das erinnert an die Bratschistin Danusha Waskiewicz, die 2004 bei den Philharmonikern ausstieg, um mit Ziegen und Schafen auf einer Kanareninsel zu leben.

Doch Mor Biron will weiterhin hauptberuflich Musik machen, nur eben nicht als „Dienst“, wie festangestellte Orchestermusiker ihre Arbeitszeiten nennen, sondern selbstbestimmt. „Wenn ich weiß, dass ich dort nicht mehr hingehöre, dann mache ich den Platz lieber frei für jemanden, der wirklich dort sitzen will“, erklärte er im „Van“-Interview.

Als Freiberufler will er sich künftig zwischen vielen Stilen und vielen verschiedenen musikalischen Formationen bewegen.

Und auch mal bei den Berlinern aushelfen, wenn die ihn brauchen. Gerade ist er in Baden-Baden, wo das Orchester seine pandemiebedingt ausgefallenen Osterfestspiele nachholt, am 14. November wird er dann auch in Berlin bei der konzertanten Aufführung der Tschaikowsky- Oper „Mazeppa“ dabei sein.

Manch einen unter den stolzen Philharmoniker mag es irritierten, dass es mittlerweile Instrumentalisten gibt, denen die Work-Life-Balance wichtiger ist als das Renommee, in ihren Reihen zu spielen Sie werden sich daran gewöhnen müssen.