Klebespuren: Joachim Grommeks meisterhafte Irritationen
Magentafarbene Rechtecke, Farbbänder in Gelb und Blau, durchsetzt von schwarzen und weißen Streifen, transparenter Folie oder abgedunkelten Überlagerungen. Geometrische Formen und sehr ästhetische Bilder. Irritierend nur die vernachlässigten Ränder, an denen noch die pure Spanplatte hervorlugt. Außerdem haftet hier ein schwarzes Klebeband, ist dort ein Stück Tesafilm vergessen worden, lappt ein weißer Farbklecks über. Rückstände, die beim Betrachten den Reflex auslösen, den Kleber vom Untergrund zu pulen oder den kleinen weißen Fleck abzukratzen.
Doch nichts ist, wie es scheint. Was in Joachim Grommeks Ausstellung „friends and others“ in der Galerie Taubert Contemporary so simpel daherkommt, wie geschnittenes und collagiertes Papier oder eben handelsübliche Plastikstreifen zum Abkleben aussieht, was aus industriellen Verbrauchsmaterialien technisch unkompliziert und schnell auf Spanplatten montiert werden könnte, entpuppt sich realiter und Millimeter für Millimeter als höchst akribische und virtuose Malerei.
Hängt da noch Tesafilm?
Der vermeintliche Tesafilm am oberen Rand ist transparenter Lack. Schicht um Schicht aufgetragen und so oft übereinandergelagert, bis eine dreidimensionale Kante entsteht. Ein Spritzer weiße Grundierung lenkt unseren Blick auf die Spanplatte in den Randzonen. Deren Oberfläche allerdings dupliziert die als Malgrund verwendete reale Spanplatte und besteht aus weiteren Schichten von Öl- und Acrylfarbe. Ist also malerisch simulierte Spanplatten-Optik, gefertigt mit frappierender Genauigkeit und Detailliertheit.
Die mit geradezu absurd erscheinendem Aufwand gemalten Interaktionen der Farbe werfen uns mitten in die Fragen um Malerei über Malerei, um Kunst über Kunst, und immer wieder lässt der 1957 in Wolfsburg geborene Künstler kunsthistorische Bezüge anklingen. Streift Minimal-, Konzept- und Konkrete Kunst, erinnert an Robert Ryman oder ruft direkt den Neo-Plastizismus des Avantgardemalers Piet Mondrian auf.
Testbild-Nostalgie
Dessen 1927 entstandenes Gemälde „Komposition III mit Rot, Gelb und Blau“ dient als Vorlage für eines der Bilder aus der Reihe „Blaupause von Mondrian“. Doch einmal mehr führt uns Joachim Grommek auch mit dem titelgebenden Kopierverfahren, das Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden wurde, in die Irre. Mitnichten handelt es sich bei den Mondrian-Adaptionen um transparentes Durchpauspapier und der für die Technik der Blaupause charakteristische, verwaschene Blauton wurde natürlich mit Malfarben erzeugt.
Rückgriffe auf vergangene Techniken bei gleichzeitiger Einbeziehung der Gegenwart lässt ebenso die Serie „ohne Titel (cmyk)“ erkennen. Neben den frischen Farbanordnungen tauchen Schnittmarken und Farbkontrollstreifen von digitalen Druckvorlagen auf, deren Sinn bisweilen durch einen großzügigen weißen Binnenraum gleichsam ad absurdum geführt wird. Zudem werden nostalgische Erinnerungen an das Testbild geweckt: Jene grafischen Kompositionen aus analogen Vorzeiten, als das Fernsehen uns nach Mitternacht noch Pausen gönnte. Derartige Anleihen transformiert der seit 1983 in Berlin lebende Maler in originäre und geometrisch strenge, aber farblich locker organisierte und wunderbar hintersinnige Kompositionen (Preise: 4300-21.000 Euro).
Ein ebenso faszinierendes wie amüsantes Verwirrspiel um Original und Fälschung und den Prozess der Differenzierung, dem sich die Betrachterinnen und Betrachter mit großem Vergnügen hingeben können. Mit Ironie und Chuzpe pendeln die Bilder von Joachim Grommek zwischen Illusion und Wirklichkeit, zwischen Sein und immer wieder dem schönen Schein. In seiner subtilen Mischung aus Hochkultur und Heimwerkermarkt treibt er die Perfektion des Unperfekten augenzwinkernd auf die Spitze.