Deutschland besiegt Österreich mit Mut und Unbekümmertheit

Sie schüttelte lächelnd den Kopf, kurz nachdem sie auf der Tribüne Platz genommen hatte. Kurz vor Schluss vergab Klara Bühl eine Großchance, eigentlich ganz untypisch für sie. Trotzdem wurde sie nach dem 2:0-Sieg gegen Österreich als beste Spielerin ausgezeichnet.

Die 21-Jährige drückte mit ihrer mutigen und unbekümmerten Art dem deutschen Spiel ihren Stempel auf im EM-Viertelfinale. Während die meisten ihrer Teamkolleginnen über weite Phasen etwas nervös und fahrig wirkten, war es die junge Mittelfeldspielerin vom FC Bayern München, die mit Ruhe vorweg ging.

Die Situation vor dem Führungstreffer war bezeichnend für Bühls Leistung am Donnerstagabend. Nachdem Alexandra Popp die gegnerische Torhüterin Manuela Zinsberger unter Druck gesetzt hatte und zu einem ungenauen Abschlag zwang, kam der Ball durch Marina Hegering zu Bühl auf die linke Seite.

Eigentlich war der Pass etwas zu steil und Österreichs Kapitänin Carina Wenninger schien alles im Griff zu haben. Aber sie hatte offenkundig nicht damit gerechnet, dass ihre Münchener Teamkollegin ihr so dermaßen den Schneid abkaufen und schließlich den Führungstreffer der deutschen Fußballerinnen vorbereiten würde.

Österreich war in der ersten Hälfte das bessere Team

Insgesamt war es am Donnerstagabend im Brentford Community Stadium das erwartete Spiel auf Augenhöhe, wobei Österreich in der ersten Halbzeit das bessere Team war und auch Pech hatte, wie beim Pfostentreffer durch Marina Georgieva.

Deutschland schien etwas überrascht von dem Pressing der Gegnerinnen und hatte Mühe, sich aus Drucksituationen zu befreien. „Wir haben heute nicht ganz so in unser Spiel gefunden, waren im Spielaufbau nicht ganz so mutig und haben nicht die Lösungen angestrebt, die wir uns eigentlich taktisch vorgenommen haben“, bilanzierte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. „In der zweiten Halbzeit haben wir taktisch ein wenig umgestellt und es dann auch besser gemacht. Insgesamt war es aber ein Riesenspiel und wir sind glücklich, dass wir 2:0 gewonnen haben.“

Neben Bühl bekam Lena Oberdorf ein besonderes Lob von der Bundestrainerin: „Ich möchte heute ein großes Kompliment, obwohl ich das nie mache, an eine Spielerin aussprechen und das ist Lena Oberdorf. Was sie heute gespielt hat, auf dieser Position, in diesen jungen Jahren, wow, das ist aller Ehren wert.“

Die 20-Jährige vom VfL Wolfsburg war im defensiven Mittelfeld quasi überall zu finden, eroberte Bälle in wichtigen Situationen, gewann zehn von dreizehn Zweikämpfen und fünf von sechs Kopfballduellen. Sie war neben Bühl eine der wenigen Spielerinnen, die vor allem in der sehr zerfahrenen ersten Hälfte einen kühlen Kopf bewahrte und trotz des hohen gegnerischen Drucks Bälle forderte und etwas damit anzufangen wusste.

Passenderweise war es eine Kombination aus der Oberdorfer Zweikampfstärke und der Bühler Unbekümmertheit, durch die Mitte der zweiten Hälfte fast das 2:0 gefallen wäre. Nach einem Ballgewinn Oberdorfs traf Bühl mit ihrem Fernschuss aus rund 20 Metern letztlich aber nur die Lattenoberkante.

Bühl ist Leistungsträgerin bei Bayern München und in der DFB-Elf

Dabei ist es kein Zufall, dass Bühl im Verein eine der Leistungsträgerinnen ist und auch im DFB-Team bereits in jungen Jahren eine wichtige Rolle in der Offensive einnimmt. Sie ist dank ihrer Beidfüßigkeit unberechenbar, da sie sowohl über den Weg nach innen gefährlich werden kann als auch über außen, wie bei ihrer Vorlage.

In der zweiten Halbzeit schien das hohe Pressing der Österreicherinnen schließlich doch ihren Tribut einzufordern. Beim bis dahin laufstärksten Team der EM schwanden die Kräfte und die fehlende Tiefe im Kader Österreichs machte sich bemerkbar. Ganz im Gegensatz zu Deutschland, das spätestens ab der Einwechslung von Linda Dallmann auch endlich besser ins Spiel fand.

Trotzdem funktionierte das Zusammenspiel lange nicht so gut wie noch gegen Dänemark oder Finnland. Die Österreicherinnen verlangten dem Team von Voss-Tecklenburg alles ab und wurden vor allem durch Standards gefährlich.

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Umso bitterer aus Österreichs Sicht, dass sie keinen eigenen Treffer erzielen konnten und stattdessen aufgrund zweier individueller Fehler verloren. Ihnen fehlte im Spiel nach vorne etwas die Geschwindigkeit, um hinter die Kette des deutschen Teams zu kommen. Zusätzlich war bei Steckpässen die sehr aufmerksame Merle Frohms im Tor der Deutschen zur Stelle.

In der Offensive war Nicole Billa, die in der Bundesliga aus allen Lagen trifft, nahezu kein Faktor. Es ist eben ein Unterschied, ob bei ihrem Verein TSG Hoffenheim eine Jule Brand mit ihrem Tempo bis zur Grundlinie läuft und ihr die Chancen perfekt vorbereitet oder ob sie sich im österreichischen Nationalteam ihre Chancen oft selbst erarbeiten muss.

Popp stellt einen EM-Rekord auf

Nachdem Zinsberger bereits beim Führungstreffer der DFB-Elf einen Fehlpass spielte, kam sie kurz vor Schluss gar nicht erst so weit, als Popp ihren Schuss ins Tor blockte. „Die Idee war, dass wir direkt Druck ausüben. Der Torwarttrainer sucht immer die Schwächen raus und ihre ballferne Seite hat die Torhüterin nicht so ganz auf dem Schirm“, sagte die Torschützin zum 2:0.

„Die ganze Zeit habe ich diese Wege gemacht und die waren immer extrem knapp dran. Dass es dann im letzten Moment gereicht hat, umso schöner.“ Es war Popps viertes Tor im vierten EM-Spiel. Die Angreiferin ist die erste Spielerin in der Turnier-Historie, die in vier aufeinanderfolgenden Einsätzen bei einer Endrunde getroffen hat.

Die Wolfsburgerin zeigte erneut eine starke Leistung, bewies unmittelbar vor Magulls Treffer Übersicht und Uneigennützigkeit, indem sie den Ball clever durchließ und war Fixpunkt der deutschen Offensive. Die Bundestrainerin sagt über sie, dass es etwas mit gegnerischen Teams mache, wenn Popp auf dem Platz steht.

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Letztlich war es die Effizienz, die Deutschland wieder in ein Halbfinale brachte – dem ersten bei einem großen Turnier seit Olympia 2016 in Rio. Trotzdem dürfte das deutsche Team gemerkt haben, dass die K.o.-Runde dann doch eine etwas andere Nummer ist als die Gruppenphase. Die deutschen Spielerinnen waren ungewohnt nervös und hatten plötzlich etwas zu verlieren.

Trotz der spielerisch schwächeren Leistung, hat das DFB-Team aber bewiesen, dass es auch über den Kampf kommen kann. Was zu einer entscheidenden Eigenschaft im Halbfinale werden könnte. Am nächsten Mittwoch trifft Deutschland in Milton Keynes auf den Sieger des letzten Viertelfinals zwischen Frankreich und den Niederlanden.