Sieger ohne Belohnung

Simon Geschke hatte keine Wahl. Als am Freitag die 19. Etappe der Tour de France endete, trug der Berliner Radprofi wieder dieses weiße Trikot mit den roten Punkten ins Ziel. Es zeichnet den besten Bergfahrer bei der Frankreich-Rundfahrt aus – nur dass Geschke das seit Donnerstagabend gar nicht mehr ist. In der Sonderwertung hatte ihn Jonas Vingegaard überholt, der Gesamtführende.

Weil der Däne aber im Gelben Trikot des Spitzenreiters fährt, darf Geschke als Zweitplatzierter das Trikot weitertragen. Was der 36-Jährige mit den Worten kommentierte: „Da habe ich jetzt eigentlich gar keinen Bock drauf. Aber so ist halt die Regel.“

Noch schlimmer: Geschke hat auch keine Chance mehr, das Trikot zurückzuerobern, der Traum es als erster Deutscher in Paris zu gewinnen, ist ausgeträumt. Am Freitag kam er beim Etappensieg des Franzosen Christophe Laporte mit fast elf Minuten Rückstand auf die Spitze ins Ziel. Aber das spielte für ihn keine große Rolle mehr.

Die 19. Etappe gewann der Franzose Christophe Laporte

Deutlich geknickter war er am Donnerstag in Hautacam angekommen und fühlte diese leichte Bitterkeit auch noch am folgenden Morgen beim Etappenstart in Castelnau-Magnoac. „Jetzt bin ich der Typ, der das Trikot durch die Gegend fährt, aber die Wertung nicht anführt“, sagte er da und erklärte, eigentlich lieber in seinem Team-Outfit die restliche Tour bestreiten zu wollen. Geht aber nun mal nicht.

Simon Geschke ist nicht der erste Fahrer bei der Tour de France, den dieses Schicksal ereilt. Im Vorjahr gewann Tadej Pogacar sogar drei Trikotwertungen, trösten wird das Geschke kaum. Zumal er womöglich seine letzte Tour fährt, in der kommenden Saison endet sein Vertrag beim Rennstall Cofidis. Dem Vernehmen nach würde er auch gern noch einmal den Giro d’Italia bestreiten, mit 37 Jahren käme ein weiterer Einsatz bei der Tour 2023 dann kaum mehr in Frage.

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Und nur zu gut in Erinnerung sind noch die Geschehnisse aus dem vergangenen Sommer, als Geschke in Tokio im Corona-Hotel festsaß und statt um olympische Medaillen nur um ein bisschen Menschenwürde kämpfen konnte.

Doch Geschke sollte nicht zu traurig sein. Er hat die Tour de France 2022 mitgeprägt und sich in jedem Falle seinen Platz in den Geschichtsbüchern verdient – nie trug ein deutscher Fahrer das Bergtrikot länger.

Beinahe wehmütig meinte er dazu: „Für den deutschen Rekord gibt es leider kein Preisgeld.“ Aber manchmal kann Anerkennung für eine große Leistung auch viel wert sein. Und die hat Simon Geschke in diesem Sommer in Frankreich über viele Tage hinweg gezeigt. Er ist deswegen in der Bergwertung nicht erster Verlierer, sondern zweiter Gewinner. Zumindest die Wahl, es so zu sehen, hat er sich verdient.