Wer hören will, muss fühlen: Italienischer Pianist Maurizio Pollini gestorben
Nach dem großen Erfolg zog er sich erst einmal von der Bühne zurück: 1960 hatte Maurizio Pollini, 1942 in Mailand geboren, den bedeutenden Warschauer Chopin-Wettbewerb gewonnen, als jüngster Kandidat. Er hätte sofort eine Weltkarriere starten können, doch er beschloss, zunächst zu „meditieren“ – also ganz genau über die Musik nachzudenken, bevor er sie aufführen würde.
Erst als sich Maurizio Pollini ein paar Jahre später reif genug fühlte, begann er wieder öffentlich aufzutreten – und wurde einer der bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts. Er begeisterte als Musiker, dem interpretatorische Klarheit und analytische Durchdringung der Werke stets über den Erfolg durch spektakuläre technische Meisterschaft ging. Und er wollte sich als Künstler – bei aller Intellektualität – nie vom realen Leben abkoppeln.
Hochkultur unters Volk bringen
In den siebziger Jahren bildete er mit dem Dirigenten Claudio Abbado und dem Komponisten Luigi Nono ein legendäres, linksintellektuelles Triumvirat, das die Hochkultur unbedingt unters Volk bringen wollte. Sie traten in Fabriken auf und versuchten gleichzeitig, den Arbeitern die noblen Musentempel zugänglich zu machen, verlasen vor ihren Auftritten Manifeste gegen den Vietnamkrieg.
Und auch später blieb Maurizio Pollini stets politisch ebenso interessiert wie programmatisch engagiert. Fest davon überzeugt, dass zeitgenössische Musik nicht zu Spezialistenfestivals abgeschoben werden dürfe, kombinierte er in seinen Programmen konsequent Neues mit Altem. Als Star, um den sich die Veranstalter rissen, konnte er sich das erlauben.
Wer Pollini mit Chopin hören wollte, musste auch Pollini mit Boulez buchen. Oder sich Werken von Helmut Lachenmann und Salvatore Sciarrino aussetzen, um anschließend Pollinis Interpretationen der späten Klaviersonaten Beethovens hören zu können. „Ich finde, es ist auch für das Publikum, das sich vor allem für die Klassik und Romantik interessiert, immer stimulierend, neue Werke im Konzert zu erleben“, sagte er 2013 in einem Interview mit dem Tagesspiegel. „Es ist doch ein großartiges Gefühl, so nahe am kreativen Prozess dran zu sein, ins Laboratorium der Komponisten zu schauen!“
Bis ins Alter hat ihn das Lampenfieber geplagt, aber bis zuletzt strebt er auch danach, noch tiefer zum Kern der Meisterwerke vorzudringen, mit denen er sein ganzes Leben verbracht hatte. Mit 82 Jahren ist Maurizio Pollini jetzt in seinem geliebten Mailand gestorben.