Sie wollten in einer Urne beigesetzt werden: Kessler-Zwillinge Ellen und Alice sterben durch assistierten Suizid
Die als Kessler-Zwillinge international bekannten Sängerinnen und Tänzerinnen Ellen und Alice Kessler sind tot. Das Schwesternpaar starb nach dpa-Informationen im Alter von 89 Jahren in Grünwald bei München.
Dort soll es in der Folge auch einen Polizeieinsatz gegeben haben. Die Münchner Polizei bestätigte einen Einsatz in Grünwald, ohne Hintergründe zu nennen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP sollen sie Suizid begangen haben.
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) bestätigte dem „Münchner Merkur“ und der Zeitung „tz“, dass es sich um einen assistierten Suizid gehandelt habe.
Zwillinge haben sich schon lange mit assistiertem Suizid befasst
„Die Kessler-Zwillinge haben sich schon seit langer Zeit mit dem assistierten Suizid befasst“, sagte eine DGHS-Sprecherin am Montag den Zeitungen.
Alice und Ellen Kessler waren dem Bericht zufolge seit längerer Zeit Mitglieder im Verein gewesen und hätten das Todesdatum 17. November selbst festgelegt. Ein Jurist und eine Ärztin hätten Vorgespräche mit ihnen geführt und seien am Montag ins Haus der Schwestern nach Grünwald gekommen, um sie beim Sterben zu begleiten.
Mit ihrem Tod hatten sich die beiden Frauen seit längerer Zeit auseinandergesetzt. Die kinderlosen Zwillingsschwestern wollten in ihrem Testament Hilfsorganisationen bedenken. Und sie wollten gemeinsam in einer Urne beigesetzt werden. „Im Tode vereint, so hätten wir es gern – und so haben wir es auch testamentarisch verfügt“, sagte Ellen Kessler im vergangenen Jahr der „Bild“-Zeitung.

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Alice und Ellen Kessler zählten zu den erfolgreichsten deutschen Entertainerinnen. Die eineiigen Zwillinge standen mehr als 60 Jahre lang auf der Bühne, unter anderem mit Frank Sinatra, Fred Astaire und Harry Belafonte.
Keine unbeschwerte Kindheit
Alice und Ellen kamen am 20. August 1936 im sächsischen Nerchau mit dem Nachnamen Kaessler zur Welt. Schon als Mädchen lernten sie das Tanzen, wurden vom Vater gedrillt. 1947 nahm sie das Kinderballett der Leipziger Oper auf, 1950 bestanden sie mit Auszeichnung die Aufnahmeprüfung der Operntanzschule.
Unbeschwert waren die Kinderjahre der Zwillinge nicht. Ihre beiden älteren Brüder starben an Gelbsucht und Typhus. Der Vater hatte eine Geliebte, war Trinker und prügelte seine Frau und Kinder.
„Unsere Angst vor seiner blinden Wut und das Gefühl, uns an niemand anderem festhalten zu können, hat uns für alle Zeiten zusammengeschweißt“, erinnerten sich die beiden vor Jahren in der Wochenzeitung „Die Zeit“.
„Unser Aneinanderklammern hatte also tiefere Wurzeln als die übliche Einheit, die jedes Zwillingspaar fühlt – bei uns war es auch Überlebensinstinkt.“
Noch vor dem Mauerbau hatte die Familie die DDR Richtung Westen verlassen, wo die Zwillinge 1952 am Düsseldorfer Revuetheater Palladium engagiert wurden.

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Als ihr Vertrag in Paris 1960 endete, ging das „doppelte deutsche Fräuleinwunder“ auf Welttournee. Die Kesslers tanzten in New York, Caracas, Monte Carlo, Barcelona, Buenos Aires oder Sydney, waren Gast in internationalen Fernsehshows, sangen und hatten auch mehrere Auftritte in Kinofilmen.
Mit 80 Jahren noch auf der Bühne
Ihre letzte Hauptrolle teilten sie sich 2015 in Berlin in dem Musical „Ich war noch niemals in New York“ mit Udo-Jürgens-Liedern.
Vor allem aber die Italiener liebten die Kesslers. Dort hatten sie auch einen ihrer letzten großen Fernsehauftritte – zum 85. Geburtstag wurden die Zwillinge im italienischen Fernsehsender RAI gefeiert.