Tierschutz im Wilden Westen: Mit Lucky Luke gegen die Fleischfresser

Als Tierfreund im Wilden Westen hat man es nicht leicht. Als Ovide Byrd – überzeugter Vegetarier und einziges Mitglied des Tierschutzvereins im Cowboy-Kaff Cattle Gulch – ein Pferd vor seinen menschlichen Peinigern rettet, entkommt er nur knapp dem Lynchmord. Das ist der Ausgangspunkt des 101. Lucky-Luke-Albums „Rantanplans Arche“, das in dieser Woche erscheint.

Gerettet wird Ovide Byrd vom Titelhelden der Reihe, der als Kuhtreiber und Fleischesser zwar ein eher pragmatisches Verhältnis zu Nutztieren hat. Aber immerhin verbindet ihn mit seinem Pferd Jolly Jumper eine innige Beziehung und Gewalt gegen Schwächere lehnt er aus Prinzip ab.

So kommt es, dass der legendäre Cowboy mit einigen Ideen des Tierschützers sympathisiert – bis der sich mit zwielichtigen Geschäftspartnern einlässt und aus Cattle Gulch per Handstreich Veggie Town wird. Dort droht nun plötzlich den Fleischessern der Galgen.

Eine weitere Szene aus dem besprochenen Album.
Eine weitere Szene aus dem besprochenen Album.
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Wer das fröhliche Spiel mit Klischees und Stereotypen mag, das die 1946 vom belgischen Comiczeichner Maurice De Bevere (1923 – 2001) alias Morris gestartete Wildwest-Parodie-Serie von Anfang an prägt, kommt auch in diesem neuen Album auf seine Kosten.

Dessen Szenarist Julien Lucien Berjeaut alias Jul erzählt hier, wie bereits in den drei vorigen von ihm getexteten Folgen, ein Abenteuer im klassischen Stil samt einiger überraschender Wendungen und ergänzt durch moderne Impulse.

Auch zeichnerisch ist das Album eine makellose Fortsetzung im Stil des späten Morris. Dafür steht der Zeichner Hervé Darmenton alias Achdé, der die Reihe seit Morris’ Tod illustriert und den Stil seines Vorbildes perfekt verinnerlicht und dezent weiterentwickelt hat.

Revolutionäre Neuerungen oder überraschende Ideen, wie es sie zuletzt in Lucky-Luke-Hommage-Bänden von Gastautoren wie Ralf König oder Mawil gegeben hat, darf man hier nicht erwarten. Dafür ist das Team der Hauptserie zu sehr der Tradition verpflichtet. In diesem Rahmen bringen sie aber immerhin etwas frischen Wind in die staubige Wild-West-Welt.

„Lucky Luke Nr. 101 – Rantanplans Arche“, Egmont, 48 S., 7,99 €, gebunden 14 €.
„Lucky Luke Nr. 101 – Rantanplans Arche“, Egmont, 48 S., 7,99 €, gebunden 14 €.
© Egmont

Das beginnt mit dem durchaus überzeugenden Plädoyer für den Tierschutz, das sich durch das ganze Album zieht und dazu geführt hat, dass der Band hierzulande als Kooperation mit dem Deutsche Tierschutzbund erscheint. Es ist aber auch bei anderen erzählerischen Elementen zu spüren, zum Beispiel beim reflektierteren Umgang mit ethnischen Klischees, die viele traditionelle Serien wie diese prägen und von denen die meisten aus heutiger Sicht überholt und teilweise rassistisch wirken.

Davon ist zwar auch „Rantanplans Arche“ nicht frei. Aber wenn an einer Stelle die Angehörigen eines indigenen Volkes als radebrechende Wilde dargestellt werden, wird das in der nächsten Szene dadurch konterkariert, dass sie nur so sprechen, weil man Touristen einen „Indianerakzent“ bieten wollte – und die vermeintliche Marterszene sich als Familiendisput um das Für und Wider fleischloser Ernährung entpuppt.

Zeichnerisch sind besonders die vielen Tierszenen ein Freude, weil Achdé hier den weitgehend vorgegebenen visuellen Rahmen der Reihe durch einige schwungvoll zu Papier gebrachte Figuren ergänzen kann, darunter eine Posträuber-Schildkröte und der ehemalige Papagei eines Richters, der mit seinen „Hängt ihn!“-Rufen manche Szene aufmischt.

Wer will, kann den Konflikt zwischen Fleischessern und Tierschützern auch als Kommentar zur aktuellen Diskurs- Kultur lesen. Manches an dem Streit um die richtige Lebensweise, bei dem Lucky Luke mehr als einmal die Beteiligten mit dem Colt zur Räson rufen muss, erinnert an die Art, wie ähnliche Debatten in der Gegenwart ausgetragen werden: Vom Dogmatismus über die Dünnhäutigkeit bezüglich Ideen, die die eigenen Position in Frage stellen, bis zur Gefahr, dass auch gute Ideen für zweifelhafte Zwecke instrumentalisiert werden können.

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