Dramatische Niederlage bei Real Madrid: FC Bayern München verpasst Champions-League-Finale durch späten Doppelschlag
Das große deutsche Wembley-Revival zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund ist geplatzt. 25 Jahre nach der denkwürdigen 1:2-Finalniederlage gegen Manchester United haben die Bayern wieder ein Champions-League-Drama beim 1:2 (0:0) gegen Real Madrid im Halbfinale erlebt.
Real-Joker Joselu wendete das Spiel im Bernabéu am Mittwochabend mit zwei ganz späten Toren (88./90.+1). Ausgerechnet der bis dahin überragende Kapitän Manuel Neuer patzte beim 1:1 schwer. Das Hinspiel war 2:2 ausgegangen. Alphonso Davies wurde so mit seinem 1:0 in der 68. Minute nicht zum Münchner Torhelden. „Wir waren fast durch, es war ein toller Fight, aber in den letzten drei Minuten ist alles zusammengekommen“, sagte Trainer Thomas Tuchel bei Dazn. „Das ist bitter, ganz bitter.“
Das Finale am 1. Juni in London bestreiten nun Rekordsieger Real Madrid und Herausforderer Dortmund. Erstmals seit 2012 beenden die Bayern eine Saison ohne Titel. Und Tuchel bleibt ein triumphaler Abschied aus München verwehrt.
Glück hatten die Bayern vor den beiden Gegentreffern gehabt, als das vermeintliche Ausgleichstor vor über 76.000 Zuschauern in der 72. Minute nach Videobeweis richtigerweise aberkannt wurde. Reals Kapitän Nacho hatte zuvor Joshua Kimmich mit beiden Händen ins Gesicht gefasst und den Bayern-Profi zu Fall gebracht.
Im für viel Geld umgebauten Estadio Santiago Bernabéu, in dem auch Bayerns Ex-Vorstandsboss Oliver Kahn Platz genommen hatte, war schon vor dem Anpfiff eine knisternde Atmosphäre zu spüren. „Ich fühle mich sehr lebendig. Das sind die Momente und Tage, für die man träumt“, sagte Tuchel kurz vor der Partie lächelnd bei DAZN: „Perfekter Tag, perfekter Rahmen, schwieriger geht’s nicht. Deshalb sind wir gefordert.“
Trotz der beeindruckenden Kulisse und der enormen Bedeutung des Highlight-Spiels stellte Tuchel Youngster Aleksandar Pavlovic anstelle des erfahrenen Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld auf. Der 20-Jährige zeigte zunächst kein Lampenfieber und leitete die erste Bayern-Chance ein, bei der Gnabry im Strafraum aber zu ungenau auf Harry Kane passte (8.).
Gnabry hatte vor Thomas Müller den Vorzug erhalten, doch nach nicht einmal einer halben Stunde musste der Nationalspieler wie schon im Viertelfinal-Hinspiel gegen den FC Arsenal vorzeitig verletzt raus. Aber nicht Müller kam ins Spiel, sondern der schnellere Davies besetzte die linke Offensivbahn.
Real dominierte über weite Strecken
In den Umschaltmomenten schlichen sich aber zahlreiche Fehler ein, was Tuchel an der Seitenlinie sichtlich frustrierte. Die Gastgeber um den ballsicheren Toni Kroos hatten ein spielerisches Übergewicht. In der 13. Minute musste Neuer zweimal seine ganze Klasse zeigen, um einen frühen Rückstand der Münchner zu verhindern: Einen Schuss von Vinícius Júnior, dem Doppeltorschützen aus dem Hinspiel, lenkte der Nationalkeeper mit den Fingerspitzen an den Pfosten. Auch den Nachschuss von Rodrygo parierte Neuer. Fünf Minuten vor der Halbzeit rettete Neuer mit einer weiteren Großtat erneut gegen Vinícius.
Auch wenn die Münchner zu sporadischen Chancen wie der von Kane nach einer schönen Volley-Direktabnahme (28.) kamen, wirkte Madrid deutlich präsenter und zielstrebiger. Der rechtzeitig fit gewordene Matthijs de Ligt, der den im Hinspiel bei beiden Real-Toren fehlerhaften Minjae Kim ersetze, gab der Bayern-Abwehr in den schwierigen Momenten aber Stabilität.
Auch in den zweiten Durchgang startete der spanische Meister mit mehr Schwung und Power. Vor allem Vinícius lief heiß, der Brasilianer sorgte mit seinem Tempo und seinen Dribblings über Reals linke Angriffsseite für viel Gefahr – so wie bei seiner Vorarbeit zur Großchance von Rodrygo (55.). Nach einer Stunde prüfte Vinícius erneut Neuer – und wieder war der deutsche Torhüter der Sieger.
Davies schockt das Bernabéu
In die Drangphase der Hausherren sorgte Davies überraschend für die Münchner Führung. Unmittelbar danach wurde Kroos, der sein 20. Halbfinalspiel in der Champions League bestritt, für Luka Modric ausgewechselt. Nach dem zurückgenommenen Ausgleich erhöhte Real nochmal den Druck, die Bayern verteidigten in den Schlussminuten mit einer Fünferkette. Doch die letzten Minuten verliefen maximal bitter.
Erst ließ Neuer einen Schuss von Vinicius nach vorne prallen und Joselu staubte ab. Drei Minuten später traf der in Stuttgart geborene Real-Joker erneut, doch der Schiedsrichter pfiff Abseits. Nach Überprüfung des Videoassistenten wurde der Treffer jedoch richtigerweise anerkannt.
Die zuvor sehr souveränen Unparteiischen um Szymon Marciniak standen auch in den letzten Momenten der langen Nachspielzeit im Mittelpunkt. Bei einem langen Ball in den Madrider Strafraum entschieden sie bei einer sehr engen Szene zu schnell auf Abseits, kurz darauf traf de Ligt. Eine Überprüfung war somit nicht mehr möglich. „Die Szene muss zu Ende gespielt werden, vor allem, wenn sie so knapp ist. Die Entscheidung ist ein absolutes Desaster“, sagte Tuchel.