Die große Reform der Filmförderung: Darf’s auch etwas weniger sein?
Wenn die große Reform der Filmförderung an diesem Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten wird, ist lediglich ein Grundpfeiler des Drei-Säulen-Modells so gut wie sicher: die Stärkung der erfolgsabhängigen Subventionen, der sogenannten Referenzförderung durch das neue Filmfördergesetz. Ob Kassenerfolg oder kultureller Erfolg über Preise und Festivalteilnahmen, die Gesetzesnovelle sieht ab 1. Januar eine weitgehende Automatisierung der Zuwendungen vor.
Ausgeschüttet werden sie von der Filmförderanstalt (FFA), die die Abgaben der Verwerter einsammelt, also der Kinos, Sender und Streamer. Unters Dach der FFA wandert künftig außerdem die aufgestockte kulturelle Filmförderung des Bundes.
Die anderen Säulen, die Kulturstaatsministerin Claudia Roth gemeinsam mit der Branche propagiert, wackeln jedoch. Mehr noch als das Steueranreizmodell, über das jede Produktion mit 30 (vielleicht auch nur 25) Prozent staatlich bezuschusst werden soll, ist die Investitionsverpflichtung umstritten. Sie sieht vor, dass Mediendiensteanbieter wie Streamer ihre hierzulande erzielten Netto-Erlöse zu einem bestimmten Prozentsatz reinvestieren müssen, wie europäische Medienrichtlinien empfehlen. Inklusive Rechteteilung mit den Produzenten, um Buy-outs zu verhindern. Laut FFA-Rechung wären das 250 Millionen Euro zusätzlich für die Filmwirtschaft.
„Wo stehen wir?“, will Björn Böhning, Geschäftsführer der Produktionsallianz, bei einem Panel im Basecamp in Berlin-Mitte von Abgeordneten der großen Parteien wissen. Der Druck ist erheblich, dass der große Wurf endlich gelingt, da sind sich alle einig. Der Erfolgs- wie der Zeitdruck: Der Produktionsstandort Deutschland kann mit der europäischen Konkurrenz nicht mehr mithalten (weshalb „Im Westen nichts Neues“ in Tschechien gedreht wurde); und eine weitere Verzögerung könnte bedeuten, dass das ehrgeizige Vorhaben mit der nächsten Bundestagswahl perdu ist.
Das Steueranreizmodell wackelt, weil die Länder dieser (Film-)Wirtschaftsförderung zustimmen müssen. Denn sie verlieren Steuereinnahmen, betreiben über die Ländertöpfe wie die NRW Filmstiftung oder das Medienboard Berlin-Brandenburg gleichwohl eigene Standortförderung. Am Freitag steht die Reform auch im Bundesrat auf der Agenda.
Die FDP nennt die geplante Investitionsverpflichtung eine Strangulierung
Heike Raab, Rheinland-Pfalz-Bevollmächtigte beim Bund, beteuert in ihrer Keynote zwar, dass „wir uns im Ziel einig“ sind, lässt jedoch die Frage offen, ob alle 16 Länder Ja sagen werden. Bei der Diskussion mit Medienpolitikern von SPD, FDP, Grünen und CDU/CSU wird anschließend deutlich, wie weit man bei der Investitionsverpflichtung auseinander liegt.
Ampelstreit auch hier. Helge Lindh (SPD) und Michael Sacher (Grüne) verteidigen die Kombi von Steueranreiz und Investitionspflicht als kommunizierende Röhren. Keine Liberalisierung ohne etwas Regulierung: Wenn Netflix in Deutschland vom Steueranreiz profitiert, sollen davon bitte auch hiesige Produzenten profitieren. Und während mit dem Anreizmodell der Standort vor allem für die großen internationalen Player attraktiver werden soll (damit es im Studio Babelsberg wieder brummt), käme die Investitionsverpflichtung kleineren Produzenten und Gewerken zugute.
Thomas Hacker von der FDP sieht das anders. Er spricht statt von Regulierung von Strangulierung und schlägt recht gelassen vor, erstmal zu realisieren, worüber Einigkeit herrscht. Also ein Zwei-Säulen-Modell mit Referenzförderung plus Steueranreiz. Hauptsache, der internationale Wettbewerbsnachteil werde endlich ausgeglichen. Aber bitte Geduld: Das Steueranreiz-Verfahren wird zu Jahresbeginn kaum in trockenen Tüchern sein. Eher im Sommer 2025, sagen die Abgeordneten. Es wird also eine komplizierte Übergangszeit geben – was zu besorgten Nachfragen von Produzentin Janine Jackowski („Toni Erdmann“) führt.
Marco Wanderwitz (CDU) – mit Ausnahme der Ko-Moderatorin Jackowski sitzen tatsächlich nur Männer in der Runde – gibt zu bedenken, dass weniger Geld im System vor allem Nachteile für die Auswerter bringt. Die Kinos und die Verleiher werden in Roths Paket ohnehin recht stiefmütterlich behandelt. Sie wären die Hauptverlierer, wenn die Reform scheitert, und hoffen jetzt auf Nachbesserungen. Nach einer Anhörung im Kulturausschuss am 7. Oktober ist die Bereinigungssitzung im Parlament für den 14. November anberaumt.