Der Staatsschutz ermittelt, der 1. FC Union entschuldigt sich
In weiten Teilen des mit 23.342 Zuschauern fast ausverkauften Olympiastadions wirkte das Conference-League-Spiel zwischen dem 1. FC Union und Maccabi Haifa (3:0) am Donnerstagabend wie ein freudiges Fußballfest mit gegenseitigem Respekt, interkulturellem Austausch und toller Atmosphäre. „Vielen Dank für die tolle Gastfreundschaft“, schrieb Maccabi noch kurz nach dem Spiel auf Twitter. „Es war ein aufregendes Spiel vor eurem und auch vor unserem Publikum und auch in diesem Stadion, das seine Bedeutung hat.“
Zu diesem Zeitpunkt war dem israelischen Verein allerdings noch nicht bekannt, was sich auf Teilen der Tribünen ereignet hatte. Während des Spiels kam es in dem durch die Nazis für die Propagandaspiele 1936 errichteten Stadion zu mehreren antisemitischen Übergriffen durch Union- Anhänger. Dabei wurde auch versucht, eine israelische Flagge anzuzünden.
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Der polizeiliche Staatsschutz hat deshalb Ermittlungen aufgenommen, Union entschuldigte sich am Freitag in einer Mitteilung. „Dieses Verhalten ist beschämend und nicht tolerierbar. Wir bitten die Betroffenen um Entschuldigung. Antisemitismus ist leider in unserer Gesellschaft nach wie vor vorhanden, deshalb zeigt er sich auch im Stadion. Diskriminierung werden wir in unseren Reihen jedoch nie dulden“, sagte Unions Präsident Dirk Zingler.
Die Vorkommnisse wurden am Donnerstag noch vor Abpfiff des Spiels durch einen Tweet des „Jungen Forums Deutsch-Israelische Gesellschaft“ bekannt, in dem von antisemitischen Angriffen auf die etwa 20-köpfige Gruppe berichtet wurde. Der 1. FC Union reagierte auf Twitter schon wenige Minuten später und bat um Nennung von Block- und Sitzplatznummern. Ereignet hatten sich die Übergriffe in den Blöcken 13 und 14, die sich im Oberring zwischen Haupttribüne und Marathontor befinden. Mehrere Zeugen berichten dem Tagesspiegel übereinstimmend von „permanenten Pöbeleien“ durch Union-Fans.
Kurz nach dem ersten Berliner Tor in der 33. Minute sollen Union-Fans, die mit Maccabi sympathisierende Gruppe mit Bierbechern und Zigarettenstummeln beworfen haben. Außerdem soll es zur antisemitischen Beleidigung „Scheiß-Jude“ gekommen sein. Ein Betroffener berichtet, dass zwar einzelne Berliner Fans dazwischen gegangen wären, sich die Gruppe dennoch dazu entschlossen habe, den Block zu wechseln und den Rest des Spiels mit den Maccabi- Fans im Gästerang zu verbringen.
„Vier Leute von uns sind im gemischten Block geblieben, einer davon hatte eine Papp-Israelfahne dabei. Ein Union-Fan hat versucht, diese anzuzünden“, erzählt einer der Stadionbesucher, der anonym bleiben möchte. Das Abbrennen der Flagge konnte durch das Eingreifen von Zivilpolizisten verhindert werden.
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) bestätigte die Vorfälle ebenfalls und dokumentierte weitere Übergriffe. So soll ein Union-Fan nach dem Spiel auf dem Weg zum Ausgang in der Nähe einer Gruppe Maccabi- Fans seine Begleiter:innen gefragt haben, ob „einer von euch noch ein wenig 74-90-8 in der Tasche“ habe. Die genannten Zahlen bilden die Registrierungsnummer für Cyanwasserstoff, Wirkstoff des Giftgases Zyklon B.
Eine weitere Stadionbesucherin, die das Spiel im Gästeblock verfolgte, berichtete dem Tagesspiegel von einem bedrohlichen Aufeinandertreffen im Stadionbereich mit einem Union-Fan mit einem deutlich zu erkennenden Tattoo einer „Schwarzen Sonne“ auf der Hand. Diese gilt als Erkennungssymbol der rechtsextremen Szene.
Die Polizei äußerte sich am Freitagmittag zu den Vorkommnissen. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes ermittelt in drei Fällen gegen Union- Anhänger. Wie die Berliner Polizei mitteilte, wird gegen mehrere noch unbekannte Personen wegen des Verdachts der Volksverhetzung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen einen noch nicht identifizierten Tatverdächtigen wird wegen Inbrandsetzens einer Handfahne und Beschädigung einer ausländischen Flagge ermittelt. Der Mann konnte sich einer Festnahme entziehen.
Ein weiterer Mann wurde vorläufig festgenommen, nachdem er mehrfach „Sieg Heil“ gerufen hatte. Er muss sich wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten“, teilte die Polizei mit. Insgesamt waren 470 Polizisten bei der Partie im Einsatz.
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Berlins Justizsenator Justizsenator Dirk Behrendt reagierte entsetzt auf die Berichte. Der Grünen-Politiker bezeichnete die Ereignisse am Freitag als „bestürzend“. „Antisemitismus darf auch im Fußball keinen Platz haben. Meine Solidarität gilt den Fans des israelischen Meisters Maccabi Haifa“, sagte der 50-Jährige. Behrendt bot seine Hilfe bei der Aufarbeitung an. „Wir unterstützen Vereine wie Union auf dem Weg zu einer Fankultur ohne Hass“, sagte der Justizsenator.
Das Jugend-Forum äußerte sich am Freitag erneut auf Twitter. „Vielen Dank für die Welle der Solidarität online und an die Union-Fans, die sich im Stadion mit uns solidarisiert haben! Der Großteil der Unioner hat Maccabi freundschaftlich empfangen und mit ihnen den Fußball gefeiert“, schrieb die Organisation, forderte jedoch weitere Konsequenzen. „Wir erwarten aber auch, dass gegen Antisemitismus im Stadion konsequent vorgegangen wird“ – damit solche Feste auch weiterhin möglich seien: „Für diskriminierungsfreien Fußball!“ (mit dpa)