„Strahlende Helden sind zum Gähnen“: „Game of Thrones“-Star Tom Wlaschiha über Umwelt, Krieg und seine ostdeutsche Biografie
Herr Wlaschiha, Sie scheinen bei der Produktion von „Marvel’s Wastelanders: Star-Lord“ sehr viel Spaß gehabt zu haben? Woran lag es?
Erstmal ist die Geschichte unglaublich amüsant, und das Hörspiel zusammen mit einem tollen Kollegen wie Devid Striesow zu machen, hat tatsächlich einen Riesenspaß gemacht.
Devid Striesow hat Rocket Raccoon seine Stimme geliehen. Im Gegensatz zu Ihrer ist seine kaum zu erkennen.
Das mag damit zusammenhängen, dass er zum ersten Mal einen Waschbären gesprochen hat. Da musste er sich also etwas einfallen lassen. Bei mir blieb es eher menschlich.
Man kennt Sie aus ernsteren Rollen, unter anderem in „Game of Thrones“ oder „Das Netz“. Lernen wir hier einen anderen, gelösteren Tom Wlaschiha kennen?
Star-Lord hat es auf alle Fälle auch nicht ganz leicht, aber die beiden sind ja wie ein altes Paar, was oft sehr komisch ist. Privat bin ich auch gern mal albern. Was die Rollen der vergangenen Jahre angeht: Da muss wohl irgendjemand etwas in mir gesehen haben. (lacht)
Was könnte das gewesen sein?
Da kann ich nur spekulieren. Ich bin jedenfalls sehr froh über die Rollen, ob es in „Das Boot“ war oder In „Stranger Things“. Das waren gut geschriebene, vielschichtige Rollen. Ich habe großen Spaß bei meinen Versuchen, die Antagonisten als Sympathieträger zu spielen.
Im Hörspiel „Marvel’s Wastelanders“ schlüpfen Sie in die Rolle von Peter Quill. Wie würden Sie diese Figur, die sich selbst Star-Lord nennt, beschreiben?
Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich kein Marvel-Experte bin, auch wenn ich einige der Filme wie „Guardians of the Galaxy“ und „Thor“ geguckt habe. Peter Quill ist ein in die Jahre gekommener Superheld ohne echte Superkräfte. Zusammen mit Rocket Raccoon kommt er auf die Erde zurück, die sich inzwischen in der Hand dunkler Mächte befindet. Peter und Rocket müssen also mal wieder die Welt retten. Das Spannende und Amüsante am Marvel-Universum ist für mich die Vielfalt an coolen oder skurrilen Figuren. Devid und ich hatten jedenfalls viel Spaß, die zehn Folgen zu sprechen.
Am Anfang jeder Folge wird vor Kraftausdrücken gewarnt und darauf hingewiesen, dass das Hörspiel für ein erwachsenes Publikum gedacht ist. Dabei begeistern sich doch gerade Jugendliche für Superhelden-Geschichten.
Das ist sicher auch mit einem Augenzwinkern gemeint.
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Kann man denn „Wastelanders“ auch Hörern unter 18 Jahren empfehlen?
Na klar, „Wastelanders“ ist ein Muss für alle Fantasy- Fans.
Bloß etwas Sinn für Humor muss man mitbringen. Mussten Sie eigentlich zur Vorbereitung ein paar Folgen der Muppet Show mit Statler und Waldorf anschauen?
Das nicht, aber es gibt zum Hörspiel eine englischsprachige Originalfassung, in die wir reingehört haben, um ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen. Das Hörspiel ist keine reine Synchronisation, sondern eher eine Übertragung des Stoffes. Gerade auch beim Sounddesign hat sich in den letzten zehn Jahren sehr viel getan. Die Welt wird so vielschichtig erzählt, man bekommt das Gefühl, als stehe man genau mittendrin.
Im vergangenen Jahr haben Sie Buzz Lightyear für einen Film Ihre Stimme geliehen, nun dem selbst ernannten Star-Lord. Gibt es da eine Verbindung?
Auf jeden Fall gibt es Ähnlichkeiten in den Figuren. Beide wollen immer mehr als sie können. Entsprechend scheitern sie regelmäßig an ihren eigenen Ansprüchen. Was sie wiederum sympathisch macht. Überhaupt: Was soll das sein, ein Superheld? Wenn der nicht irgendwelche menschlichen Qualitäten oder Schattenseiten und Brüche hat, dann ist der einfach nur langweilig. Strahlende Helden sind zum Gähnen.
Jede Zeit scheint jedenfalls ihre Superhelden zu haben, zumindest in der Fiktion.
Der seit Jahren zu beobachtende Boom der Superhelden hat für mich auch ein wenig mit Eskapismus zu tun. Und das meine ich nicht negativ, denn es macht einfach Spaß, sich in andere Welten reinzudenken und darin ein bisschen zu verlieren. Es hat einen Reiz, ein zweites Leben neben dem Richtigen zu leben. Genau wie es Menschen gibt, die Tag und Nacht Strategiespiele am Computer spielen. Das wäre allerdings nichts für mich.
Ich bin gern im Hier und Jetzt und träume mich selten woanders hin.
Tom Wlaschiha, Schauspieler
Wie entfliehen Sie der Realität?
Ich bin, glaube ich, eher der pragmatische Typ. Ich bin gern im Hier und Jetzt und träume mich selten woanders hin. Außerdem füllen mich meine beruflichen Aufgaben voll und ganz aus. Worüber ich sehr froh bin.
Die Wende in ihrer Karriere kam vor zwölf Jahren in London, haben Sie einmal erzählt.
Ich bin damals mehr aus der Not heraus nach London gegangen. Ich hatte das Gefühl, dass ich in Deutschland beruflich nicht weiterkomme. In Großbritannien habe ich mithilfe einer guten Agentur dann einen ganz anderen Drive gekriegt. Ohne diese Station würde ich solche Interviews heute nicht führen. Oder über ganz andere Themen.
Vermutlich nicht über „Game of Thrones“, „Stranger Things“ oder „Jack Ryan“. Im Osten Deutschlands, wo sie Ihre Kindheit in den 1970er und 1980er Jahren verbracht haben, gab es keine Superhelden-Comics zu kaufen. Wer waren Ihre Vorbilder?
Vieles von dem, was für mich literarisch interessant war, firmierte in der DDR unter Schundliteratur. Auch Comics und Karl May. Stanislaw Lem habe ich gelesen, aber an Helden im richtigen Leben kann ich mich nicht erinnern. Obwohl ständig versucht wurde, welche zu verkaufen. Nichts gegen Sigmund Jähn, Täve Schur oder Jürgen Sparwasser. Aber als Helden hätte ich sie nicht bezeichnet.
Zurück zu „Wastelanders“. Trotz der lockeren Frotzelei zwischen Peter Quill und Rocket Raccoon hat das Hörspiel eine ernste Seite. Alle Guten sind tot, das Böse hat gesiegt und die Umwelt ist vernichtet.
Und trotzdem gibt es Hoffnung und gute Gründe, diese Reise zu unternehmen, um das Böse zu besiegen. Jeder Hörer kann dazu eine andere, eigene Idee haben. Die verwüstete Erde kann man in Bezug zum Umweltthema sehen oder zum Thema Krieg. Ich finde es gerade gut, dass es da unterschiedliche Interpretationsräume gibt.
Kunst sollte aber nicht meinen, einen moralischen Kompass geben zu können. Ein Anspruch auf Unfehlbarkeit ist immer zum Scheitern verurteilt.
Tom Wlaschiha, der im Hörspiel Podcast erneut einem Superhelden die Stimme leiht
Auch das passt zu einer Zeit, in der die Frage gestellt wird, wie politisch Kunst sein muss.
Kunst sollte sicherlich einen Standpunkt haben, da sie nicht im luftleeren Raum existiert. Kunst sollte aber nicht meinen, einen moralischen Kompass geben zu können. Ein Anspruch auf Unfehlbarkeit ist immer zum Scheitern verurteilt.
Hat diese Einstellung mit ihrer ostdeutschen Biografie zu tun?
Da könnte was dran sein. Mit zunehmendem Alter kann ich es immer mehr schätzen, dass ich beide Seiten kennenlernen konnte – ohne in irgendeiner Art die DDR verklären oder zurückhaben zu wollen.
Aktuell wird wieder viel über die Bevormundung des Ostens durch den Westen diskutiert. Können Sie das nachvollziehen?
Zur Wende war ich 16, ich hatte also nichts verpasst und mir standen danach alle Türen offen. Anders als für die Generation meiner Eltern gab es für mich keinen Bruch in der Biografie. Sicherlich hätte bei der Wiedervereinigung vieles besser laufen müssen. Ich weiß bloß nicht, ob das praktisch möglich gewesen wäre.
Nach der Wende wurde gesagt, bis die Wiedervereinigung abgeschlossen ist, werden 30 Jahre vergehen. Ist das gelungen?
Für mich ist sie abgeschlossen. Ich habe zwei Drittel meines Lebens in Gesamtdeutschland gelebt, für mich ist das die Normalität. Aber ich verstehe auch die Menschen, die sich abgehängt fühlen, die darunter leiden, pauschal für etwas beurteilt zu werden, was sie nicht zu verantworten hatten.
Und die ihre Lebensleistung nicht angemessen gewürdigt sehen.
Das würde ein echtes Verständnis voraussetzen, wie das Leben damals wirklich war. Es ist wirklich nicht einfach, das in allen Facetten zu erzählen. Einige wenige Filme über diese Zeit schaffen das im Ansatz. Aber der Großteil beschränkt sich auf kleine Ausschnitte, die kein Gefühl dafür vermitteln, wie das tägliche Leben damals für ganz normale Leute war. Das ist dramatisch toll und spannend wie in „Das Leben der Anderen“, hatte aber mit dem Alltag der Meisten relativ wenig zu tun.