Jenny Holzer in Düsseldorf: Machtmissbrauch und Blattgold
Der Irritationsmoment war gewaltig, als Jenny Holzer 1982 ständig wechselnde Botschaften am Times Square in New York auf einer elektronischen LED-Tafel laufen ließ, darunter auch den oft zitierten Spruch „Protect me from what I want“. Der konsumkritische Werbeträger ebnete ihr den Weg zum Goldenen Löwen auf der Biennale von Venedig im Jahr 1990.
Dabei hatte die 1950 geborene US-Amerikanerin nach einem Malerei-Studium an der Universität Ohio zunächst mit abstrakten Bildern à la Mark Rothko oder Kenneth Noland angefangen. Erst nach dem Umzug nach New York entwickelte sie ihren konzeptuellen Textansatz: anonym im Stadtbild verbreitete Schriftbilder, in denen sie Thesen und Antithesen zu Gesellschaft und Politik, Liebe und Krieg formulierte.
Die „Truisms“ (Binsenweisheiten) waren nur der Vorgeschmack auf ein Werk, dessen mediales Spektrum sich stetig ausweitete, wovon man sich in der Düsseldorfer Retrospektive im K21 der NRW-Kunstsammlung eindrucksvoll überzeugen kann, auch wenn der subversive Effekt im musealen Kontext deutlich schwächer als auf der Straße zur Geltung kommt.
Spotlichter setzen die mit deutschen und englischen Sentenzen gepflasterten Wände in Szene. Man muss sie lesen und vom Rest abkoppeln, um in Holzers Wort-Universum mitzuschwingen.
Ab 1986 graviert sie ihre Texte auf Steinbänke, die in Düsseldorf zum „Survival“-Sitzkreis in rotem Granit gruppiert sind. In den 90er Jahren reagiert Holzer auf den Bosnienkrieg. Die aufgeschichteten Knochen in der Beletage stammen von Menschen, die sie für medizinische Lehrzwecke gespendet hatten. An einigen sind Silberbänder befestigt mit Auszügen aus ihrem „Lustmord“-Text, in dem sie die traumatischen Kriegserlebnisse aus der Sicht von Opfern, Tätern und Beobachtern schildert.
Auch der Irak-Krieg ist präsent in der auf Leinwand übertragenen Vorlage des US-Zentralkommandos, das US-Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld 2002 über Pläne zum Irakkrieg informierte. Da liest man dann bürokratische Ungetüme wie: „Attack Aircraft: 591. Attack Helos: 306. Personnel: 254 K“. Ähnlich geht Holzer bei der Sichtbarmachung von zensierten Dokumenten vor, die von der Misshandlung irakischer Gefangener durch US-Soldaten handeln.
Verurteilt wurde deswegen zwar kein Soldat, aber der Diskurs über die Vertuschungen blieb so am Laufen, wie auch im Fall der mit Blattgold verzierten Bildtafel „Wish List Metal“, die auf die Foltermethoden des US-Militärs verweist.
Da verwundert es nicht, dass man irgendwann auf LED-Leuchtbändern von Kriegsverbrechen in der Ukraine liest und über die eigene Reaktion erschrickt, denn bei all der blinkenden Buchstabenakrobatik hätte man fast den grausamen Inhalt aus dem Blick verloren.