„Da kommt noch was“ im Kino: Nie wieder Hausfrau sein
Auf der Rangliste der musikalischsten Haushaltsgeräte würden Kaffeevollautomaten gewiss einen hinteren Platz belegen, besonders der von Helga. Oder ist er nur deshalb so misstönend, weil Helga ihn neuerdings wahrnimmt? Eine einzige Dissonanz wie ihr ganzes neues Leben. Und dazu diese übergewichtige Spinne an der Decke. Mit dieser Spinne wird sie niemals in Ruhe ihren unter akustischen Schmerzen erworbenen Kaffee trinken können. Also: Offensive!
Nun könnte man meinen, Filmkritiken, die so ausführlich über den Sound von Espressomaschinen (und Spinnen) berichten, seien entweder miserable Filmkritiken – oder es handelt sich um einen miserablen Film. Letzteres darf verneint werden. Aber Menschen, deren Kaffeemaschinen immer gleich klingen, sind bei „Da kommt noch was“ garantiert im falschen Film.
Eingeklemmt im Fußboden denkt Helga über ihr Leben nach
Manchmal lassen sich die wesentlichen Dinge eben nur über die scheinbar unwesentlichen sagen. Das ist Kino. Eine bemerkenswerte Regisseurin wie Mareille Klein, die mit „Da kommt noch was“ ihren zweiten Spielfilm vorlegt, nach ihrem viel gelobten Debüt „Dinky Sinky“, weiß so etwas. Helga kriegt die Spinne übrigens nicht, sie fällt vom Hocker, und bricht durch das Gitter ihrer Fußbodenheizung. Und da steckt ihr Fuß jetzt fest. Helga allein zu Haus.
Nicht nur Helga hat in ihrer einsamen Nacht in der Klammer des Heizungsschachts viel Zeit zum Nachdenken. Und irgendwann begreift man, dass diese Frau noch nie allein einer Zimmerdeckenspinne gegenübergestanden hat. Bisher hatte sie wohl jedes Mal „Beeernd! Kommst du mal?“ gerufen. Vielleicht hieß ihr Mann auch anders. Egal wie, jetzt ist er weg – fehlt auf die erniedrigendste Art und Weise.
Kann sein, dass Mareille Klein mit diesem Film einer Generation von Frauen, die es so wohl nie mehr geben wird, ein Denkmal setzen wollte. Ihrer Mütter-Generation, deren Leben nur einen einzigen Nenner kannte: ihren Mann. Und die Kinder natürlich. Während das Leben der Männer – gerade der erfolgreichen – seit je viele Nenner hatte, auch weibliche. Darum ist er jetzt auch weg.
Die großartige Ulrike Willenbacher, ein eher herber Typus, ist in jeder Szene zu sehen, sie trägt „Da kommt noch was“. Jede ihrer Gesten, ihrer Worte verrät, worauf es im Leben einer gutbürgerlichen Mittelstandsehefrau bisher ankam: Haltung! Nie ganz zu unterscheiden von Heuchelei. (Auch darum muss sie so weinen, nachts, gefangen in ihrem Heizungsgrabengefängnis.) Ihre osteuropäische Putzhilfe findet sie am Morgen. Gipsfuß!
Die psychologische Präzision der Regisseurin und ihrer Darsteller ist wunderbar. Willenbachers Helga gehört zu den Frauen, die Fremden nicht ohne Weiteres Zutritt zu ihrem Reich gewähren, und nun schickt ihre osteuropäische Putzhilfe als Urlaubsvertretung auch noch einen Mann. Er heißt Ryszard, ein Pole, ein Typus, den die meisten Frauen wohl übersehen. Erst recht (frühere) Arztgattinnen.
(In neun Berliner Kinos)
Leider versteht die Vertretung kein Deutsch, und noch bevor sie wirklich angefangen hat, hört Helga im Keller schon ihre Waschmaschine laufen. „Sie können doch nicht einfach ….!“ Er kann. Ryszard ist ein Macher. So einfach ist man also ersetzbar. Als Ehefrau, als Hausfrau. Als Mensch?
Zbigniew Zamachowski spielt diesen Ryszard, und die zarte Annäherung dieser beiden so verschiedenen Menschen zu beobachten, ist so komisch wie erschütternd. Und dazu die Reaktionen von Helgas Freundinnen – allesamt Typus Gattin wichtiger Männer – auf den Neuen an Helgas Seite. Seite? Im Bett vielleicht, aber doch nicht am helllichten Tag. Imogen Kogge ist hier als intrigante Freundin Brigitte in einer Paraderolle zu sehen. Da kommt noch was!
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