Vor dem ersten Spiel bei der Heim-EM: Die deutschen Volleyballerinnen und das Problem mit der Belastung
Es ist der Traum aller Sportler*innen: die Olympischen Spiele. Die deutschen Volleyballerinnen sind diesem Ziel bei der Nations League in diesem Sommer ein ganzes Stück näher gerückt. Bis vor zwei Jahren war es noch so, dass man sich ein Olympia-Ticket lediglich über die Qualifikationsturniere sichern konnte. Das hat der Volleyball-Weltverband mittlerweile geändert, sodass auch die Platzierung in der Weltrangliste zählt.
Dort steht das Team von Cheftrainer Vital Heynen aktuell auf Platz elf, nachdem es bei der Nations League sogar die Finalrunde erreichte. Die Hoffnungen sind daher groß, bei der Heim-Europameisterschaft, einige Siege einzufahren. Im ersten Spiel trifft Deutschland am Donnerstag in Düsseldorf auf Griechenland (20 Uhr, im Stream bei Sportdeutschland.TV)
Doch den Nationaltrainer plagen einige Sorgen, denn der Spielplan der Volleyballerinnen ist eng getaktet. Gleich nach Saisonende hatten sie nur wenige Tage Zeit, um sich mit dem Nationalteam einzuspielen. Kurz darauf ging es bereits nach Japan, Brasilien und Südkorea, wo Spiele in der Nations League stattfanden. Anschließend blieben gerade einmal zwei Wochen zum Verschnaufen, bevor die Vorbereitung auf die EM startete.
Am Ende bleibt nur noch eine Truppe übrig, die absolut Olympia will.
Bundestrainer Vital Heynen über das deutsche Nationalteam
„Heutzutage erwartet man sehr viel von Spielerinnen, die Teil der Nationalmannschaft sind“, sagt Heynen. „Sie sind eigentlich fast 365 Tage im Jahr beschäftigt. Nur zwei Wochen im ganzen Jahr haben sie frei. Das ist ein Riesenproblem.“ Um sich auf die EM vorzubereiten, hätte das Team eigentlich einen ganzen Monat gebraucht, sagt Heynen. „Aber dann hätten die Spielerinnen gar nicht mehr frei.“
Aus kommerzieller Sicht sind viele Turniere interessant
Heynen sieht diesbezüglich den Weltverband in der Verantwortung. Dieser scheint das Problem jedoch nicht zu erkennen, sondern erwägt sogar, die WM nicht nur alle vier Jahre, sondern alle zwei Jahre auszurichten. „Damit würde man den Druck auf den Sommer noch erhöhen“, sagt Heynen.
Die Nations League war einst ein kommerzielles Turnier, bei dem um Geld gespielt wurde. Doch seit zwei Jahren spielt man dort auch um die Weltrangliste, die Einfluss auf Olympia hat. Nicht am Turnier teilzunehmen, ist daher keine Option. „Ich verstehe, dass es aus kommerzieller Sicht interessant ist, die besten Spielerinnen regelmäßig bei Turnieren zu sehen“, sagt Heynen. „Aber von der Belastung gesehen, ist das unmöglich.“
Der Stimmung im Team tut das derweil keinen Abbruch: Das deutsche Team ist trotz einiger Neulinge eng zusammengewachsen. Einige Spielerinnen fuhren sogar gemeinsam in den Urlaub nach Barcelona und nach Mallorca. „Das freut mich“, sagt Heynen. „Denn das bedeutet, dass die Nationalmannschaft für die Spielerinnen mehr ist, als nur Volleyball zu spielen.“
Einen Anreiz zu schaffen, gern für das Nationalteam zu spielen, ist gar nicht so leicht. Ihr Gehalt verdienen die Spielerinnen in den Vereinen und größere nationale Erfolge liegen bereits eine ganze Weile zurück. Heynen hat daher einen anderen Ansatz: „Man spielt auch Nationalmannschaft, um seine Freundinnen wiederzusehen. Ich denke, das gelingt uns gut.“
Dass das Team bei der Nations League so erfolgreich sein würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Heynen führt den Erfolg vor allem auf einen Aspekt zurück: „Unsere Stärke ist die Schwäche. In den letzten zwei Jahren haben viele abgesagt. Hinzu kamen Verletzungen.“ Spitzenspielerinnen wie Kimberly Drewniok oder Denise Imoudu beendeten ihre Karriere im Nationalteam.
Die Gruppenphase findet in Düsseldorf statt
Das führte in diesem Jahr dazu, dass eine Spielerin wie beispielsweise Antonia Stautz mit 29 Jahren erstmals für das Nationalteam nominiert wurde. „Am Ende bleibt nur noch eine Truppe übrig, die absolut Olympia will. Jede muss Verantwortung übernehmen. Nach dem Motto: Alles oder nichts. Das hat geholfen, viele Spielerinnen haben einen Riesenschritt gemacht.“
Einen weiteren Motivationsschub dürfte bei der EM der Austragungsort liefern: Zumindest die Gruppenphase findet in Düsseldorf statt. „Für die Spielerinnen ist das unglaublich wichtig, es ist einfach ein anderes Gefühl“, sagt Heynen. Sollte das Team es ins Achtelfinale schaffen, ginge es nach Belgien. Darüber würde Heynen sich besonders freuen. „Endlich mal wieder ein Spiel in meiner Heimat.“
Bis dorthin ist es aber ein schwieriger Weg. Nach dem Auftakt gegen Griechenland, geht es gegen Schweden, Aserbaidschan, Tschechien und Nations League-Gewinner Türkei. Die vier Gruppenbesten spielen dann überkreuz gegen die Top vier aus der Gruppe A, in der Spitzenteams wie Weltmeister Serbien, Belgien und die Ukraine vertreten sind.
„Die Auslosung ist sehr schwierig“, sagt Heynen, „aber ich sehe das nicht als Problem. Unser Ziel ist es, das Olympia-Ticket zu holen.“ Dafür müssen die deutschen Volleyballerinnen vor allem gegen schwächere Teams gewinnen, um ihre Platzierung in der Weltrangliste zu wahren, die für die Qualifikation maßgeblich ist. Dann klappt es vielleicht auch mit dem großen Traum von Olympia.