Der langsame Abschied vom Faxgerät

Kürzlich kündigte die einst für Ingenieure gegründete Techniker Krankenkasse ihren Mitgliedern eine Innovation an: Wer seine Karte beim Arztbesuch vergisst, kann in der App nun einen Versicherungsnachweis anfordern. Der wird jedoch nicht als QR-Code auf das Handy verschickt, sondern an die Praxis – als Fax.

Ein ungläubiges Raunen ging durch die deutsche Öffentlichkeit, als sich in der Pandemie herausstellte, dass manche Labore und Gesundheitsämter immer noch Faxgeräte verwendeten, um Infektionszahlen und Testergebnisse auszutauschen. Bemitleidenswerte Angestellte mussten die Daten vom Papier abtippen, um sie dann im Computer weiterzuverarbeiten.

Die Verzögerungen führten auch dazu, dass Kontaktpersonen zu spät gewarnt wurden. Solche Anekdoten sind es, die das Faxgerät zum Symbol für die gescheiterte Digitalisierung in Deutschland werden ließen.

Im „Neuigkeitenzimmer“, dem putzig eingedeutschten Newsroom des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, stand lange Zeit ein einprägsamer Satz: „Die Medienlandschaft hat sich verändert – deshalb muss sich auch die Behördenkommunikation verändern“. Das Neuigkeitenzimmer ist seit Anfang März deaktiviert. Stattdessen wird als Kontakt unter anderem eine Faxnummer angegeben. „Ganz selten“ komme etwas über das Gerät herein, so ein Mitarbeiter am Telefon. „Man könnte sagen: Wir haben es, weil wir es noch haben.“ Sage nochmal einer, deutsche Beamte hätten keinen Humor.

Der Bundestag entsorgte 2021 seine 8400 Geräte

Eine repräsentative Umfrage ergab, dass noch 43 Prozent der Firmen in Deutschland Faxgeräte nutzen. Das klingt nach viel, doch die Anzahl hat sich in den vergangenen fünf Jahren nahezu halbiert. Die Bremer Verwaltung will bis Ende 2022 alle Faxgeräte durch sicherere Technologien ablösen. Der Bundestag entsorgte 2021 seine 8400 Exemplare. Für Anwälte ist seit diesem Jahr der elektronische Rechtsverkehr Pflicht.

Gute alte Zeit. Ein Vorläufer unseres heutigen Faxgeräts.Foto: imago images/Everett Collection

Dass das Faxgerät nach verdienstvollen Jahrzehnten bald ins Museum für Kommunikation verbannt werden dürfte, liegt paradoxerweise daran, dass die Geräte mittlerweile zu digital sind. Wie in der modernen Telefonie laufen die Verbindungen über das Internet. Im Gegensatz zur einstmals direkten Verbindung zwischen Sender und Empfänger ist der Weg der Nachricht heute nicht mehr nachvollziehbar – und eben so wenig, ob diese abgefangen wird.

Eine rechtssichere und datenschutzkonforme Übermittlung ist somit nicht mehr gewährleistet. Fußballmanager müssen sich also zukünftig neue Ausreden für gescheiterte Transfers einfallen lassen, die sie sonst gerne den unzuverlässigen Faxgeräten ankreideten.

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Für den ein oder anderen Gag ist die Technik bis zum endgültigen Abschied aber noch gut: Als in der ersten Märzwoche dieses Jahres drei Manager eines deutschen Rüstungsunternehmens dem Beschaffungsamt der Bundeswehr einen Vertragsentwurf zukommen lassen wollten, geschah das per Fax. Nach wenigen Minuten soll das Gerät das Papier mit allen nötigen Unterschriften ausgespuckt haben, berichtete die „Wirtschaftswoche“.

Das sei die schnellste Beschaffung der deutschen Rüstungsgeschichte gewesen, frotzelte ein Beteiligter des Deals. Die Modernisierung einer schlecht ausgerüsteten Truppe mit veralteter Technik wird durch ein Gerät eingeleitet, dessen Vorläufer bereits 1843 schwarz-weiße Bilder übertrug.

Noch schreibt das Fax also an der Weltgeschichte mit. Die russische Nachrichtenagentur Interfax hat ihren Namen dem Gerät entliehen. Nach dem Ausschluss aus dem Swift-System sind russische Banken für den Zahlungsverkehr wieder darauf angewiesen. Nur die Notfallkommunikation zwischen den zwei Atomstreitkräften im Weißen Haus und im Kreml wurde längst vom Faxgerät auf eine sichere Mail-Verbindung umgestellt. Darüber dürften auch die größten Nostalgiker erleichtert sein.