Elín Jakobsdóttir und Mark Sadler: Freud und Leid als Künstlerpaar
Künstlerpaare sind ein Phänomen, das die Fantasie anregt, in verschiedener Hinsicht: Es kann politisch werden, wenn man über Genderfragen und ungleiche Karrierechancen nachdenkt. Oder es bleibt artifiziell. Bei Gilbert & George, den Engländern im Anzug oder bei Eva & Adele, den Zwillingen mit blankem Schädel, ist die nach außen getragene Beziehung Kunst. Niemals würde man wagen, genauer in den Paaralltag hineinzublenden.
Die beiden Maler Elín Jakobsdóttir und Mark Sadler haben kein Und-Zeichen zwischen ihren Namen, auch wenn sie schon lange zusammenleben. Seit 2005 arbeiten sie, – die neben der Malerei auch Ausflüge in die Bereiche Film, Skulptur und Musik unternehmen –, zwischen Berlin und Glasgow.
Privat und öffentlich zugleich
Es war die Kuratorin Anna Havemann, die Elín Jakobsdóttir und Mark Sadler dazu überredete, sich im Kunst Haus Mitte als Künstlerpaar zu präsentieren. Wenn jedes Œvre für sich steht und nicht nur ob der Qualität, sondern auch ob der schieren Größe der Formate eine eigene Ausstellung füllen könnte, birgt der Fokus aufs Paarsein durchaus Gefahren.
Mehr als auf die Werke könnten die Besucher aufs Zwischenmenschliche achten. Wer ist die Muse, wer der Star? Wer spült ab, wenn beide zur selben Zeit kreativ sein wollen. Klauen sie sich Motive? Man fahndet nach Liebe, Dialog und Rivalität.
Der betende Körper vorm Kreuz in dem Großformat „Stacheldraht Jesus“ von Sadler erinnert in seiner Schablonenartigkeit an die Arme und Beine, die durch Jakobsdóttirs wolkig, aquarellige Farbuniversen fliegen. Auch die Gestalt in Sadlers Schlafwagen-Bild ist als Umriss gemalt. Ob diese Art der Darstellung aus ihren Bildern in seine hineingesprungen ist, oder umgekehrt? Sadler zieht seine Inspiration aus seinen Reisen, er ist Straßenmusikant, Zirkusgänger, Beobachter, Flaneur. In seinen Bildern in kräftigen Farben wie Blau, Gelb und Rot bindet er die Eindrücke unterschiedlicher Orte und Zeiten zusammen: Paris, Kairo, Kandahar.
Sarg und Kinderwagen
Jakobsdóttir bewegt sich mehr im Inneren als im Außen, sie vertraut ihrem Körper, lässt der Zeichenhand freien Lauf, nutzt den Zufall und das Unterbewusstsein. So entstehen nicht nur Gemälde, sondern auch Experimentalfilme und Objekte. Eines ist eine ironische Verbindung aus Sarg und Kinderwagen von 2023, ein Konstrukt aus Holz mit kurzer, hochgestellter Stirnseite und einem längeren, horizontalen Teil, aus dem schlaffe, viel zu lange Gliedmaßen heraus baumeln. Das Sein als tragikomische Merkwürdigkeit.
Elín Jakobsdóttir und Marc Sadler haben sich auf diese Paar-Ausstellung zu hundert Prozent eingelassen. Sie brauchen Eigenständigkeit nicht zu behaupten, sie ist vorhanden. Eher scheint es auch für sie interessant zu sein, Überschneidungen und Resonanzen zu entdecken. Die Schau startet mit zwei persönlichen Porträts. Sie hat ihn gemalt und er sie. Ende der Neunziger, vielleicht am Beginn ihrer Beziehung.
Sie kannten sich vom Studium an der Glasgow School of Art, lange bevor sie zusammenkamen. Sadler hat eine feine, zarte Bleistiftzeichnung von Jakobsdóttir angefertigt, nur die Lippen sind blassrot, der Blick ernst und prüfend. Sie hat ihn wie eine Bronzestatue gemalt, nichts, was sich verschieben ließe. Und irgendwie kann man sich beide Zeichnungen auch als Selbstporträts denken.
Linien in Resonanz
Eines der Hauptwerke – wenn es so etwas in der Schau überhaupt gibt – ist Sadlers Gemälde „Schwertschlucker“, das durch ins Zentrum strebende Lichtstrahlen sofort die Blicke auf sich zieht. Man sieht eine Manege in einer gewölbten Halle, Reiter und einen Schwerschlucker. Alles flirrt vor Farbe, die für Zuschauende aufgestellten Gartenstühle sind leer. Sadler hat einen langen Text zu diesem Bild aus dem Jahr 2020 geschrieben. „Das Credo eines Malers“ ist er untertitelt. Der Text erzählt von realen Erlebnissen und Begegnungen in Pakistan, die man nach dem 11. September, nach dem, wie die Welt sich seither entwickelte, mit immer geringerer Wahrscheinlichkeit hätte.
Was wird zum Bild, was nicht, was kann Malerei in politisch polarisierten Zeiten ausrichten? Solche Fragen stellt der Text, den Sadler auch seinen Studenten zu lesen gibt.
„Zwischen zwei Orten“ heißt die Ausstellung. Das bezieht sich auf die beiden Lebensmittelpunkte der Künstler, aber auch auf ihre Arbeit. Die Kunst lebt zwischen Realität und Imagination, Erinnerung und Körper, Atelier und Außenwelt, Psyche und Wissen. Das Fallen und Stürzen ist ein häufiges Motiv in Jakobsdóttirs Gemälden. Genauso wie die Suche nach den Quellen der künstlerischen Kreativität. Mag sein, dass die beiden sich in dieser Hinsicht selbst und gegenseitig beobachten, sowie ihre Kinder, die manchmal Teil der Kunst werden. Als Motiv, als Ko-Kreateure.
Fragt man die Jakobsdóttir und Sadler, was der Vorteil ist an einer Beziehung, in der beide Künstler sind, sprechen sie zuerst von der Möglichkeit gegenseitiger Kritik. Man bekommt eine kundige, ehrliche Einschätzung über das eigene Schaffen.