Hertha BSC trauert um seinen früheren Kapitän: Lorenz Horr war ein bescheidener Ausnahmekönner

Seine Leidenschaft für den Fußball war schon länger abgekühlt, Stadien und Fußballplätze mied er seit vielen Jahren. Gemeinsam mit seiner Frau Hannelore, mit der er zwei Söhne hat, lebte Lorenz Horr viele Jahre am Ortsrand von Alsenborn, beschaulich und unauffällig.

Einen Koffer hatte er nicht mehr in Berlin. Die Stadt besuchte er in den vergangenen Jahren nur noch äußerst selten, wenn überhaupt, dann „um die Straßen und Plätze von früher zu besuchen“. Hertha BSC, seinen früheren Verein, beobachtete er aus der Ferne, aber trotz seiner Distanz zum Fußball „durchaus mit Sorge“.

Noch im Mai, nach Herthas Abstieg aus der Bundesliga, hat er sich im Tagesspiegel zu seinem Ex-Klub geäußert. „Ich war sehr gern bei Hertha und finde die Entwicklung und den Abstieg ganz schlimm“, sagte er. Der direkte Aufstieg werde nicht einfach, „aber ich bleibe optimistisch“. In einem Jahr, „nachdem Hertha aufgestiegen ist“, könne man dann ja wieder sprechen.

Doch dazu wird es nicht kommen. In der Nacht auf Samstag ist Lorenz Horr im Alter von 80 Jahren in seiner pfälzischen Heimat überraschend gestorben.

Den Horr will ich haben, egal was er kostet!

Helmut „Fiffi“ Kronsbein, Trainer von Hertha BSC

1962 war der gelernte Kupferschmied vom FSV Oggersheim aus der 1. Amateurliga in die A-Klasse zum SV Alsenborn gewechselt, der Ende der sechziger Jahre an das Tor zur Bundesliga klopfte. Das „Wunder der Dorfmannschaft“ ist eng mit Horrs Namen verbunden. Fritz Walter, damals als Berater für die Alsenborner tätig, schwärmte von ihm: „Vom Tag des ersten Einsatzes an wurde er zur dominierenden Figur in unserem Angriff.“

Der damals 20-Jährige, den alle nur „Lenz“ nannten, galt früh als Hoffnungsträger der Alsenborner. Und er enttäuschte sie nicht. Zwischen 1968 und 1970 feierte der SVA drei Südwestmeisterschaften nacheinander und nahm an den Aufstiegsrunden zur Bundesliga teil, zweimal mit Horr als Kapitän.

336.000

Mark zahlte Hertha BSC als Ablöse für Horr.

Bereits im ersten Südwestmeisterjahr traf er mit seinem Heimatverein in der Aufstiegsrunde auf Hertha BSC und führte Alsenborn zu einem überraschenden 2:1-Erfolg. Herthas Trainerlegende Helmut „Fiffi“ Kronsbein schwärmte danach: „Den Horr will ich haben, egal was er kostet!“

1969, nachdem Alsenborn zweimal den Aufstieg in die Bundesliga verpasst hatte, wechselte Lorenz Horr tatsächlich nach Berlin. Mit einer Ablöse von 336.000 Mark war er zum damaligen Zeitpunkt der teuerste Transfer der Bundesliga-Geschichte. „So hart hat uns noch kein Großverein rangenommen wie dieser Bauernklub aus der Pfalz“, wurde der damalige Hertha-Manager Wolfgang Holst nach den Transferverhandlungen zitiert.

Lorenz Horr ist mit 75 Treffern Herthas drittbester Torschütze in der Bundesliga.
Lorenz Horr ist mit 75 Treffern Herthas drittbester Torschütze in der Bundesliga.
© imago/Werner Otto

Trotz einer dreimonatigen Verletzungspause zu Beginn seiner ersten Bundesligasaison standen am Ende 13 Tore auf Horrs Konto – und die Berufung in den 40er-Kader der deutschen Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in Mexiko. Horr war stets nah dran, aber ein Länderspiel hat er nie bestritten, wohl auch weil die Konkurrenz im Angriff zur damaligen Zeit extrem groß war.

Nur Preetz und Beer trafen häufiger

Dafür hat er in der Geschichte von Hertha BSC Spuren hinterlassen. 240 Bundesligaspiele hat Lorenz Horr für die Berliner bestritten, mit denen er 1975 Vizemeister wurde. Und noch heute ist er mit seinen 75 Bundesligatoren drittbester Torschütze der Hertha-Geschichte, hinter Michael Preetz und Erich Beer.

Geprahlt hat er damit nie. „Ich bin nicht der Typ, der sich dauernd selbst auf die Schultern klopft und die alten Zeiten schönredet“, hat Horr einmal gesagt, der Hertha 1977 verlassen hat. Er wechselte zum damaligen Zweitliga-Aufsteiger Wormatia Worms, ein Jahr später zu Waldhof Mannheim, wo er 1979 seine aktive Karriere beendete.

Danach war der A-Schein-Inhaber mehrere Jahre sehr erfolgreich als Trainer tätig, ehe er dem Fußball endgültig den Rücken kehrte. Dem SVA blieb er bis zu seinem Tod verbunden. Deren Vorsitzende Gudrun Heß-Schmidt würdigte Horrs Verdienste um den Verein: „Wir verlieren mit ihm nicht nur einen besonderen Menschen, sondern auch einen Ausnahmefußballer seiner Zeit, der das Gesicht des Vereins mitgeprägt hat.“