Dschungelcamp 2024 startet langatmig: Das war die erste Folge von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“
Die „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“-Gag-Autoren setzten auf Tradition, stellen ihre Sendung als das endlich wieder brennende Lagerfeuer der Fernsehwelt vor und die „Wetten, dass..?“-Gedenkfraktion stimmt schweigend zu. Alle anderen müssen sich an Sportmetaphern klammern: Selbst Fußballmuffel schauen die WM, oder so. Man muss nichts wissen über das, was im Dschungelcamp passiert, man muss die Leute nicht kennen, die sich da blamieren und man kann das alles ganz schön schrecklich finden – unterhaltsam ist es trotzdem irgendwie.
So unterhaltsam, dass das seit 20 Jahren und inzwischen 17 Staffeln läuft, wie „RTL“ nicht müde zu betonen wird. Wir befinden uns hier also quasi in einem Jubiläum und sind Teil von etwas ganz Besonderem, versichert auch das nicht mehr ganz so schrille Moderatoren-Duo Sonja Zietlow und Jan Köppen der versammelten Promi-Truppe, um sie dann in die erste Demütigung zu treiben. Aber von vorne.
Auf einer Yacht in einem Yachthafen, der genauso gut auf der Hamburger Außenalster, hier aber nun mal auf einem Fluss irgendwo in Australien platziert wurde, trudeln die zwölf „Stars“ und vor allem „Sternchen“ ein. Stellen sich ein bisschen vor und dürfen nochmal ganz schicke Drinks trinken, bevor sie, später irgendwann, aus einem zehn Zentimeter über einem Urwald-Tümpel schwebenden Heli in die TV-Wildnis geschubst werden.
Niveaulose Fernsehsachen
Den Auftakt macht die ehemals rennfahrende Ex-Frau des nicht ganz so erfolgreichen Rennfahrer-Bruders, des unschlagbar erfolgreichen Ex-Rennfahrers Michael Schumacher: Cora Schumacher. Die Zusammenfassung ihrer Relevanz bekommt sie besser hin und mogelt sich gleichzeitig in all jene Herzen, für die Bescheidenheit und Hybris kein Widerspruch ist. Ihr Ex Ralf hätte ihr viel Geld geboten, den Nachnamen abzulegen, darauf hatte sie aber bei bestem Willen keinen Bock, erzählt sie und macht sich so auch ohne bestätigte Oliver Pocher-Beziehungsgerüchte sympathisch interessant.
Ich liebe die Tierwelt
David Odonkor, Fußballspieler
Was folgt ist Heiter, also Mike Heiter: „Ich mach’ paar Fernsehsachen und ab und auch Shows“ und damit wäre eigentlich auch schon alles gesagt. Blöd nur, dass just in diesem Moment die dritte Kandidatin über den Steg gestöckelt kommt. Kim Virgina, mit der hatte Mike mal während einer dieser Fernsehsachen vor laufender Kamera verkehrt. Mit oder ohne Kondom? Wer will das schon wissen! Die beiden schaffen es seriös zu bleiben und Kim stellt sich ergebend fest: „Mich nervt es ein wenig, dass er da ist. Aber gut, dann hab ich halt ’ne verflossenen Flamme am Start“. Wenig Sinn für unkaschierte Ehrlichkeit, beweist übrigens auch ihr beeindruckendes Trompe l’oeil-Dekolleté, wobei der auf Stoff gemalte Busen eigentlich das einzige ist, was sie bedeckt.
Weiter gehts: Modedesignerin und Playboy-Covermodel Sarah Kern sagt Hallo, weil, nun ja, nicht schuldenfrei und Fußballer David Odonkor begründet seine Teilnahme: „Ich liebe die Tierwelt“. Das könnte ein Witz gewesen sein, der hat dann aber nicht gezündet, was unter anderem daran liegt, dass Odonkor bereits jetzt am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu stehen scheint. Sowohl Sarah als auch David verkörpern exemplarisch das „Augen zu und durch“-Prinzip.
Das Dschungelcamp ist die Königsklasse von den Formaten
Leyla Lahouar, Reality-TV-Persönlichkeit
Der Influencer Twenty4Tim hat nach kürzester Zeit seinen ersten aufgeklebten Fingernagel verloren und erzählt am laufenden Band irgendwas über „Hater“, also Menschen, die ihn nicht mögen. Damit enttarnt er seine Motivation sich das Ganze hier anzutun: ein bisschen Image-Pflege nach dem ein oder anderen Knacks der letzten Jahre nämlich. Das könnte klappen oder wahnsinnig nervig werden, viel Spielraum gibt es zwischen den Extremen nicht. Bei den versammelten Reality-Profis, also Kim Virgina und Leyla Lahouar, scheint die Strategie aber jetzt schon aufzugehen, sie bezirzen ihn fleißig – den Paradiesvogel Tim. Das könnte natürlich genauso gut an seiner mehre Millionen zählenden Followerschaft liegen, die im Zweifelsfalls durch Anrufe über Sieg und oder Niederlage entscheiden.
Ja, die liebe Leyla, die hat Höhenangst, ekelt sich vor Schlangen, bekommt bei Spinnen Panik und muss sich von nicht so schmackhaftem Essen schon mal übergeben. Gekommen ist sie trotzdem, weil „das Dschungelcamp ist die Königsklasse von den Formaten oder so“. Davor hat sie ihr Testament verfasst. Es braucht nicht viel Fantasie, um auch sie in die Kategorie „Fernsehsachen“ einzutüten. Damit das nicht zu öde wird, sorgt „RTL“ natürlich für Abwechslung und schickt auch Felix von Jascheroff ins Rennen. Der 41-Jährige frisch gebackene Opa will weder für sein langjähriges Engagement bei „GZSZ“, noch für eine Flughafen-Prügelei bekannt sein: „Ich sehe mich selbst als Künstler“. Okay!
Der fahle Nachgeschmack des Stinktofus
Ähnlich kreativ in Sachen uninteressant ist Anya Elsner, die obligatorische Ex-Teilnehmerin aus Heidi Klums Modelsuchshow, ohne geht ja irgendwie nicht. Sie hat jedenfalls lieber negative Schlagzeile als gar keine und ist trotzdem total lieb. Das Ergebnis dieses gewagten Charakter-Cocktails ist aber leider wässrig-uninspiriert und maximal durchschaubar. Lucy Diakovska hat da mehr zu bieten. Auch sie gehört zur Fraktion Castingshow – aber in erfolgreich. Tatsächlich scheinen die Anwesenden bei der „No Angels“-Sängerin ein kleines bisschen starstrucked. Lucy ist eine Macherin, das weiß man ab Minute eins. Sie packt an und wünscht sich von den Dschungel-Produzenten, ganz im Sinne der Sache, mehr Oberflächlichkeit.
Für die sorgt Fabio Manuel Knez-Staubsauger-Vertreter nicht. „Ich kann meine Schraube nicht verstecken, die sitzt locker, das sieht jeder“, erzählt er und macht in den kommenden Stunden nichts anderes als an den Schrauben der Autoritäten zu drehen. Er ist der Rebell der Truppe, einer, der sich auch von einem Oberstleutnant-Urwald nichts sagen lässt. Wenn daraus keine Bockigkeit wird, verspricht man sich von Fabio die beste und coolste Unterhaltung.
Apropos bockig. Der Alt-Star Heinz Hoenig läuft in Schlangenlinien ein. Immer wieder betont er, wie wenig „Bock“ er auf dieses und jenes hat. Das kann er auch mit seinen sehr männlichen Kalenderspruch-Weisheiten nicht wettmachen: „Du musst auf kleinen Brettern spielen, dann kannst du auf großen überleben“, weiß der pensionierte Schauspieler. Wohl wegen seines Alters ist er in der Auftaktsendung für Anrufe gesperrt, eventuell sind die zu bespielenden Bretter dann doch ein bisschen zu groß. Und trotzdem schafft es Hoenig für den Ekelmoment des Abends zu sorgen und das auch noch schweigend: Er pinkelt einfach neben sein Feldbett.
Was bleibt ist ein fahler Nachgeschmack von püriertem Schlammfisch mit Fischsoße und Brownie aus Hühnerherz, Stinktofu, Durian und 1.000-jährigem Ei, der Auftakt war wider Erwarten langatmig und Pointen-leer. Wenn das bisher recht harmonisch wirkende Ensemble aus ihren Sympathien füreinander die Unterhaltung kreiert, gibt es aber vielleicht ein überraschendes Happy End.