Der SC Freiburg hat vieles von dem, was Hertha BSC fehlt
Dann fällt das Tor doch noch. In der 88. Minute trifft der erst 18 Jahre alte Matthias Ginter für den SC Freiburg zum 1:0 gegen den FC Augsburg. Als die drei Punkte im Abstiegskampf eingefahren sind, freut sich Freiburgs Präsident Fritz Keller: „Das war der erste Streich.“
Und zwar vom neuen Trainer Christian Streich, am 21. Januar 2012. Am Saisonende steht der Klassenerhalt. Jüngst hat Streich sein zehnjähriges Jubiläum als Cheftrainer gefeiert.
Am selben Tag wie Streich in Freiburg debütiert 2012 auch bei Hertha BSC ein Trainer. Hertha verliert unter Michael Skibbe 0:2 beim 1. FC Nürnberg. Skibbe muss nach vier weiteren Niederlagen in vier Pflichtspielen wieder gehen. Nach Interimstrainer René Tretschok kommt Otto Rehhagel, am Saisonende steht der Abstieg. Danach folgen bis heute sieben verschiedene Trainer, Pal Dardai war zwei Mal im Amt.
An diesem Samstag treffen Freiburg und Hertha in der Fußball-Bundesliga aufeinander (15.30 Uhr, live bei Sky). Die Gastgeber stehen auf einem Europapokalplatz, die Gäste einen Punkt vor Rang 16. „Die Wertschätzung ist unheimlich groß“, sagt Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic über den Gegner: „Sie machen das immer hervorragend.“
Wie Hertha ist Freiburg in den vergangenen zehn Jahren einmal abgestiegen, hat ansonsten zunächst stets mehr oder weniger früh die Klasse gehalten – und lag in den letzten zwei Spielzeiten in der Abschlusstabelle vor den Berlinern. Von einem Abstiegskandidaten zu einem Klub, der voll etabliert ist. Und der seit einigen Monaten in einem neuen Stadion spielt. „Freiburg ist aus der Bundesliga nicht mehr wegzudenken“, sagt Bobic.
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„Wenn man jetzt unsere Einwechseloptionen sieht, auch im Vergleich zum tollen Team, das 2013 Fünfter wurde, sind die Kaderdichte und -breite vielleicht so groß wie noch nie“, sagte Sportvorstand Jochen Saier in dieser Woche im „Kicker“. Freiburg kompensierte immer wieder den Abgang wichtiger Spieler, schaffte die Entwicklung mit vergleichsweise kleinen Mitteln und vor allem mit Ruhe und Kontinuität an den entscheidenden Stellen. Die Vorstände Jochen Saier und Oliver Leki sowie Sportdirektor Klemens Hartenbach sind fast so lange auf ihren Positionen wie Streich.
Seit 2019 herrscht bei Hertha BSC fast durchgehend Unruhe
Ruhe und Kontinuität, beides hätten sie bei Hertha gern. Doch das gab es zuletzt in der ersten Amtszeit von Pal Dardai, die 2019 endete. Von den Zielen, die vor allem Lars Windhorst immer wieder geäußert hat, ist der Verein auch aktuell ganz weit weg. Zuletzt attackierte Windhorst, der 374 Millionen Euro in Hertha investiert hat, im Wirtschaftsmagazin „Capital“ die Klubführung. Mitten im – erneuten – Abstiegskampf.
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Am vergangenen Sonntag war das Team trotz der arg angespannten Personalsituation auf einem guten Weg, endlich einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Stattdessen gab es gegen RB Leipzig einen Rückschlag, den in dieser Heftigkeit wohl nur Teams hinnehmen müssen, die ganz tief unten stehen: Gut eine Stunde sehr gut aufgetreten, „da hätten sie nach dem Rückstand führen müssen“, sagt Streich. Dann folgten die Rote Karte für Marc Kempf – der damit das Spiel bei seinem Ex-Klub verpasst – und fünf Gegentore, Endstand 1:6.
Das allerwichtigste sei, nicht unruhig zu werden, findet Trainer Tayfun Korkut nach nunmehr sechs Ligaspielen nacheinander ohne Sieg. Bobic sagt: „Wir müssen die richtige Haltung haben, um Ruhe auszustrahlen. Wir müssen die Ärmel hochkrempeln, irgendwann muss es sich drehen.“ In Berlin bemühen sie also das Prinzip Hoffnung, dass es einfach besser werden muss, wenn man dranbleibt.
Streich erwartet dann auch eine Mannschaft, „die mit aller Macht darum kämpft, Punkte zu holen, um aus dem Schlamassel rauszukommen.“ Rund um sein Team, das zusammen mit dem FC Bayern und dem FSV Mainz 05 die wenigsten Gegentore der Liga kassiert hat (26), sind die Themen andere. Mit einem Sieg wäre am 24. Spieltag das Saisonziel 40 Punkte schon abgehakt. „Wir sind selbstverständlich überzeugt, dass wir unser Ziel erreichen und in der Bundesliga bleiben. Das sind wir seit vielen Wochen“, sagt Streich. Abstiegskampf? Nicht eine Sekunde in dieser Saison.
Inzwischen geht es längst darum, was Freiburg alles erreichen kann. Selbst die Champions League ist drin. Die Verantwortlichen halten sich bedeckt. „Innerer Antrieb ist es. Dafür braucht es aber keine externen Zielvorgaben“, sagt Saier. Der Sportvorstand findet es jedoch gut, dass manche Spieler ihren Ehrgeiz öffentlich mitteilen. Das gilt auch für den DFB-Pokal. Kommende Woche steht das Viertelfinale beim VfL Bochum an.