Aus dem Leben eines Streuners

Samtpfotige Hauptfiguren haben seit einiger Zeit Hochkonjunktur in den hierzulande neu erscheinenden Manga-Serien. Sei es der gemütliche Stubentiger Fukumaru in der behaglichen Reihe „A Man and his Cat“, die Trost schenkende Chobi im melancholischen Einzelband „She and her Cat“ nach einem Kurzfilm von Anime-Hit-Regisseur Makoto Shinkai oder die freche Katze aus dem umfangreichen Miezen-Kosmos von „Kleine Katze Chi“.

Eine weitere Seite aus „Eine Geschichte von sieben Leben“.Foto: Egmont Manga

Die hiesigen Verlage setzen zunehmend auf die beliebten Haustiere bei der Auswahl entspannender Slice-of-Life-Lektüre. Mit „Eine Geschichte von sieben Leben“ (Übersetzung Christine Steinle, Egmont Manga, bislang ein Band, 162 S., 7,50 €) erscheint nun bei Egmont Manga ein weiteres Katzenabenteuer.

Nanao lebt bereits seit einiger Zeit auf der Straße, gilt bei den Straßenkatzen aber aufgrund seines geringen Alters immer noch als unerfahrener Jungspund. Es verbessert seine Stellung auch nicht gerade, dass er aus nostalgischen Motiven immer noch das unpraktische Halsband mit Glöckchen trägt, das ihm sein Besitzer einst gefertigt hat.

Zum Glück hat er den stolzen und erfahreneren Machi an seiner Seite. Als die Futterplätze im Viertel weniger werden und der Winter naht, ist die Sorge unter den Streunern groß. Ausgerechnet bei der unfreundlichen Badehausbesitzerin Yoshino entsteht in dieser Zeit eine neue Futterstelle. Nanao ist skeptisch, dabei verbindet ihn mit der jungen Frau mehr als er ahnt.

In der insgesamt dreibändigen Manga-Reihe kommen zunächst die Katzen zu Wort. Streuner Nanao und sein Gefährte Machi sind unzertrennlich und den Menschen gegenüber misstrauisch eingestellt. Gin Shirakawa lässt ihr Publikum auf den Spuren dieser beiden heimatlosen Gesellen das Viertel erkunden, in dem die Manga-Reihe spielt.

Das Viertel ist für seine Straßenkatzen berühmt

Aus der Perspektive der Vierbeiner lässt sich das Freud und Leid der Straßenkatzen nun mal am besten schildern. Doch die Manga-ka wechselt bald stetig zwischen der Sichtweise der tierischen Protagonisten, dem Blickwinkel einiger wichtiger Menschen in ihrem Viertel, das für seine Straßenkatzen berühmt ist, und einem neutralen Standpunkt.

Das Titelbild des ersten Bandes der Reihe.Foto: Egmont Manga

Dieser sprunghafte Erzählstil ist in japanischen Mangas übrigens gar nicht mal so selten. Eine durchgehende Perspektive wird ebenso häufig und selbstverständlich genutzt wie diese Art erzählerisches Wechselmodell. Auch bei „A Man and his Cat“ kommen etwa neben dem Kater und seinem Herrchen noch diverse andere Personen wie die Verkäuferin der Tierhandlung oder der Hundenarr und beste Freund der Hauptfigur zu Wort.

[Die Mangareihe „A Man and his Cat“ war im vergangenen Jahr einer der Favoriten der deutschsprachigen Kritikerjury, die in jedem Quartal ihre Top-Titel wählt – mehr dazu hier.]

Was zunächst etwas anstrengend und verwirrend klingt, liest sich dank der filmhaften Natur der Mangas recht flüssig und klar, sodass die entsprechende Person (oder Katze) unzweideutig zuzuordnen ist.

Täglicher Überlebenskampf auf der Straße

In „Eine Geschichte von sieben Leben“ gehen komische, sentimentale und tragische Momente quasi Pfote in Pfote. Der tägliche Kampf ums Futter, die seltsamen Verhaltensweisen der Zweibeiner, die Traumata und die stete Gefährdung, denen Straßenkatzen ausgesetzt sind, bringt Gin Shirakawa feinfühlig zu Papier.

Ihren vierbeinigen Protagonisten gibt sie individuelle Charakterzüge und treibt die Vermenschlichung in den Dialogen auch schon mal auf die Spitze, um einen starken Gegensatz zum unbedachten bis herzlosen Verhalten der Menschen zu erzeugen.

Die feinfühlige, durchaus vorhersehbare Erzählung wartet mit berührenden und nachdenklichen Momenten auf, wobei viele Gedanken zu den Straßenkatzen nur angerissen werden, sei es nun, um dem Lesenden Raum für eigene Ideen zu lassen oder aus Furcht vor zu intensiven Eindringens in die persönliche Komfortzone, um die Wohlfühlatmosphäre nicht zu gefährden.

Die Zeichnungen sprechen ebenfalls eine anheimelnde Sprache und sorgen nicht zuletzt dank Illustrationen im Aquarellstil und detaillierter Kulissen für Gemütlichkeit. Während die menschlichen Figuren in einem klassischen Manga-Alltagsstil daherkommen, hat sich Gin Shirakawa für die Gestaltung der Katzen intensiv mit der animalischen Mimik und den geschmeidigen Bewegungen auseinandergesetzt. Im Anhang finden Katzenliebhaber zudem Informationen über den Umgang der Japaner mit Straßenkatzen.