Die Queen und die Popkultur: Enge Beziehung
Es war der 26. Oktober 1965, als Queen Elizabeth II. ihre Beziehung mit dem Pop und der Popkultur begann – eine wechselvolle, nicht ganz leichte Beziehung, wie sich zeigen sollte, die die Queen aber nicht zuletzt selbst zu einer Pop-Ikone werden ließ, lange bevor Andy Warhol sie mit seinen Siebdruckporträts verewigte oder sie mit Daniel Craig vor die Kamera ging. An diesem Oktobertag bekamen die Beatles von der Queen einen Orden überreicht, das „M.B.E“-Abzeichen, abgekürzt für „Member of the Most Excellent Order of the British Empire“, ein sternförmiges Silberkreuz, das an einem roten Band hängt.
So stand die Band, neben vielen, vielen anderen, die mit den „M.B.E.“ ausgezeichnet wurden, morgens um 11 Uhr im großen Thronsaal des Buckingham-Palastes und nahm ihren Orden entgegen: „Mir kam das vor wie ein Traum, es war schön. Historisch, wie in einem Museum“, sagte John Lennon über die Zeremonie. Ein paar Jahre später, 1969, gab er seinen Orden aber lieber wieder zurück, aus Protest gegen die britische Beteiligung am Biafra-Krieg, dem Bürgerkrieg in Nigeria.
1969 war es auch, dass sich die Beatles, genauer: Paul McCartney, an einem Song über die Queen versuchten, „Her Majesty“. Keine halbe Minute dauert der Song, eigentlich sollte er zwei andere auf dem „Abbey Road“-Album verbinden, schließlich landete er als einer der ersten Hidden Tracks der Popgeschichte ganz am Ende des Albums, als Track, der in der Songliste nicht auftaucht. „Her Majesty is a pretty nice girl“, singt McCartney, „but she doesn’t have a lot to say.“ Das zeugt von ironischem Respekt – und politisch zu sagen hatte die Queen ja wirklich wenig –, mündet in aller Kürze aber doch in einer ordentlichen Liebeserklärung: „I wanna tell her that I love her a lot“, und schließlich: „Someday I’m gonna make her mine, oh yeah, someday I’m gonna make her mine.“
„She’s not a human being“, sangen die Sex Pistols
So als ob das vier Jahre zuvor nicht schon geschehen wäre. Pop war zu jener Zeit, Rebellion hin, entsetztes Bürgertum her, gesellschaftsfähig und so auch royalkompatibel geworden; sein Waterloo erlebte er bekanntermaßen ebenfalls 1969, am Ende jenes Jahres in Altamont. Erst der Punk räumte mit dem Pop-Verdruss und der Rock-Agonie der siebziger Jahre auf. Pünktlich zum silbernen Thronjubiläum der Queen veröffentlichten die Sex Pistols ihre Drei-Akkord-Nationalhymnenvariation „God save the Queen“, jene ultimativ antibritische, Anti-Königshaus-Punkhymne mit den berühmten Zeilen „God save the Queen, the Fascist Regime“ oder „God save the Queen / She’s not a human being / And There’s no future / And England’s dreaming.“
Ärger darob gab es viel in Großbritannien, Ärger mit den Sex Pistols, dem Punk überhaupt – das Königshaus aber schwieg. Die Queen hatte nicht viel zu sagen, wie Paul McCartney ja wusste, und sie musste nicht zu allem was sagen, wie sie selbst wusste. Und die Sex Pistols? Erwiesen bei ihren diversen Wiedervereinigungen 2002 auch der Queen aus Anlass ihres goldenen Thronjubiläums die Ehre auf einer Bühne in London. „Lang möge sie leben“, sagte der einstige Sex-Pistols-Sänger John Lydon einmal. „In Sachen ,Regieren‘ weiß ich es nicht, aber möge sie lange leben.“
Ein langes Queen-Leben: Danach stand ein Jahrzehnt nach den Sex Pistols einem gewissen Morrissey und seiner Band The Smiths nicht unbedingt der Sinn, zumindest wenn man sich allein den Titel des dritten, vielleicht besten, in jedem Fall erfolgreichsten Smiths-Albums anschaut. „The Queen is Dead“ heißt es, und im gleichnamigen Eröffnungsstück stellt sich der notorisch leidende Morrissey vor: „Her very Lowness with her head in a sling / I’m truely sorry but it sounds like a wonderful thing.“
Doch trotz dieser Hang-the-Queen-Fantasie erzählt Morrissey auch davon, wie er mit einem Schwamm und einem rostigen Schraubenschlüssel in den Buckingham-Palast einbricht und von der Queen gesagt bekommt: „Du kannst nicht singen.“ Darauf er: „Du solltest mich Klavier spielen hören.“
Danach imaginiert Morrissey einen Spaziergang zu zweit, und es wird lyrischer und kryptischer: die Kirche, die Drogen, die von den Royals faszinierten Medien. Am Ende singt er besagte Zeile, mit einem „boys“ dahinter, doch erinnert der gesamte Song mehr an eine Litanei, ist er eine Ode an die Einsamkeit: „Life is very long when you’re lonely.“
Während die Queen den Pop und den Rock weiterhin munter für sich vereinnahmte und Musiker wie Cliff Richard, Elton John, Tom Jones, Rod Stewart oder Mick Jagger zu Rittern schlug, zuletzt bekam Ed Sheeran das „M.B.E.“, versuchten sich andere Popmusiker dessen unbeeindruckt weiter an ihr abzuarbeiten: „It’s the blessed routine / For The Good, The Bad And The Queen / Just moving out of dreams with no physical wounds at all“, sang Damon Albarn in seinem Seitenprojekt „The Good, The Bad and The Queen“.
„My message is clear / It’s curtains for you Elizabeth my dear“, orakelten die Stone Roses 1989 und vertaten sich um gleich drei Jahrzehnte; die Pet Shop Boys träumten von einer Begegnung mit der Queen und Lady Di; und noch einmal richtig zupacken wollte 2002 die Politdance-Band Chumbawamba, als sie „Her Majesty“ coverte und darin konstatiert: „Her majesty’s a pretty nice girl without one good reason to stay.“ Und: „Her majesty’s a pretty nice girl, but she’s pretty much obsolete.“
Der Pop nun ohne die Queen? Unvorstellbar. Als Popstar ist sie a class of her own gewesen, vom Pop im Grunde über alles geliebt. Diese Lücke wird in Zukunft keine Königin, geschweige denn König Charles III. füllen können.
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