„Die nächste Generation muss jetzt langsam mal zu Potte kommen“
Andrea Petkovic ist normalerweise eine Frau der klaren Worte. In einem Punkt will sich die 34 Jahre alte Tennisspielerin allerdings ungern festlegen: Ob dies nun ihre letzte Saison ist oder sie doch noch eine weitere dranhängt. „Am Willen wird es sicher nicht liegen. Aber ich merke einfach, dass die Regenerationsphasen viel, viel länger werden“, sagte sie nach ihrer Achtelfinalniederlage beim Berliner Rasenturnier am Mittwochabend.
Schon im Vorjahr dachten viele, dass ihr Auftritt im Steffi-Graf-Stadion der letzte in Berlin gewesen sein könnte. Petkovic rangierte jenseits der Top 100, konnte gegen die weltbesten Spielerinnen nur noch selten etwas ausrichten. Doch in der zweiten Jahreshälfte 2021 verblüffte sie unter anderem sich selbst, als sie in Hamburg das Finale erreichte und später in Cluj-Napoca ihren insgesamt siebten Titel auf der WTA-Tour holen konnte.
Am Jahresende entschied sie, die Karriere fortzusetzen und aktuell liegt sie nur knapp hinter den Top 50 der Weltrangliste. „Wenn ich das sehe, dann habe ich schon noch mal kurze, euphorische Gefühle. Weil ich diese Erwartungen nicht mehr habe“, sagte sie zur Bedeutung von Platzierungen im fortgeschrittenen Sportleralter. Fakt ist: Petkovic ist damit die derzeit zweitbeste deutsche Tennisspielerin, hinter der ebenfalls 34 Jahre alten Angelique Kerber.
„Angie und ich haben beide die gleiche Leidenschaft und versuchen unsere Karrieren so lange fortzusetzen, wie es der Körper mitmacht“, erklärte Petkovic. Tatsächlich wirkt die 1,80 Meter große Sportlerin unglaublich fit und austrainiert, was mit ein Grund dafür ist, dass sie wieder so richtig Spaß am Tennis gefunden hat. In ihrer mittlerweile 15-jährigen Profikarriere war das nicht immer so, Petkovic hatte einige schwere Verletzungen und zwischenzeitlich sogar Motivationsprobleme.
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Längst hat sie sich Standbeine neben dem Tennissport aufgebaut, als Kolumnistin für Zeitungen oder Wochenmagazine und mit Auftritten als Moderatorin im Fernsehen. Wer sie in diesen Tagen in Berlin erlebt hat, lernt so auch die beiden Seiten der Andrea Petkovic kennen. Auf der einen ist da die immer noch zuweilen verbissene Athletin auf dem Platz, die kämpft, hadert und – wie nach dem von ihr selbst scherzhaft „Meilenstein“ genannten Sieg in Runde eins gegen Garbine Muguruza – auch ausgelassen jubelt.
Und die natürlich immer für einen Spruch gut ist, wie jenen nach dem Muguruza-Match als sie meinte: „Ich kokettiere ja immer damit, nicht auf Rasen spielen zu können. Aber ich habe jetzt nicht mehr so viel Angst hinzufallen. Deswegen kann ich den Rasen auch nicht mehr ganz so verfluchen, wie ich es mal gemacht habe.“
Dafür trainierte sie in Berlin in ärmellosen Shirts und körperbetonten Shorts, als wollte sie ihre Fitness optisch noch einmal zusätzlich unterstreichen. Zwischendurch huschte aber auch dabei immer wieder ein Lächeln über ihr Gesicht, dass nahe legt, dass sie das Tennis tatsächlich wieder zu genießen scheint.
Das deutsche Frauentennis kann derzeit kaum auf sie verzichten
Andererseits ist da reflektierte Frau, die den Profizirkus mit Abstand betrachtet und die sich von Niederlagen wie der gegen Alexandra Sasnowitsch am Mittwoch nicht wirklich beeindrucken lässt. „Früher konnte ich mit meinem Team die erste Stunde nach einer Niederlage gar nicht sprechen, weil ich noch so in einem Film war. Das geht heute besser“, sagte sie. Schwieriger sei es damit klar zu kommen, dass sie womöglich zum letzten Mal bei so einem Turnier wie dem in Berlin gespielt haben könnte.
Nach der Saison werde sie entscheiden, ob es noch weitergeht. Im Moment kann das deutsche Frauentennis kaum auf sie verzichten. Die Fans in Berlin unterstützten „Petko“ in ihren Matches lautstark, teilweise wurden sogar Deutschland-Fähnchen geschwenkt. Und trotzdem weiß die einstige Weltranglistenneunte: „Die nächste Generation muss jetzt schon langsam mal zu Potte kommen. Denn irgendwann wird es vorbei sein.“
In dieser Saison stehen für Petkovic aber noch einige Höhepunkte an. In Bad Homburg spielt sie in der kommenden Woche quasi vor der eigenen Haustür, danach folgt das Highlight Wimbledon. Und auch in Hamburg will sie später im Sommer noch einmal antreten. „Ich fühle mich zurzeit richtig gut und habe auch keine Mätzchen oder so“, sagte sie und nährte damit indirekt die Hoffnung, dass sich das Berliner Publikum auch im kommenden Jahr noch einmal auf Andrea Petkovic freuen darf.