Hertha BSC muss weiter um den Klassenerhalt zittern

Im Nordosten der Bielefelder Alm liefen bereits die Vorbereitungen für die Klassenerhaltsfeierlichkeiten. Die Stimmung unter den Fans von Hertha BSC war freudig erregt. Und dann das. Erst fiel in Stuttgart doch noch der Ausgleich für den VfB, dann erschütterte ein kollektiver Schrei der knapp 25.000 Bielefelder Fans die Alm – und damit auch die Zuversicht der Gäste aus Berlin.

Joakim Nilsson, Innenverteidiger der Arminia, traf kurz nach Anbruch der Nachspielzeit per Kopf zum 1:1 (0:1)-Endstand für die Bielefelder.

„Man kann schon sagen, dass wir ein bisschen sauer sind“, sagte Herthas Mittelfeldspieler Kevin-Prince Boateng. Auf das Ergebnis in Stuttgart hatten die Berliner keinen Einfluss, den Sieg in Bielefeld aber gaben sie selbst aus der Hand. Kurz vor dem Ausgleich lief Luca Wollschläger, 19 Jahre alter Bundesligadebütant, auf das Bielefelder Tor zu. Statt zu schießen, legte er den Ball quer zu Maximilian Mittelstädt.

Und Mittelstädt? Statt zu schießen, legte er den Ball quer zu Wallschläger, allerdings so unpräzise, dass der den Ball nicht erreichen konnte.

Vertan war die Chance zum 2:0, vertan auch die Chance, schon zwei Spieltage vor Schluss zumindest den direkten Abstieg zu verhindern. „Jetzt geht es noch mal zwei Spiele weiter“, sagte Herthas Trainer Felix Magath.

Das war nach dem Verlauf des Spiels und dessen Dramaturgie durchaus ärgerlich. Allerdings hat sich Herthas Situation durch das Unentschieden in Bielefeld zumindest nicht verschlechtert. Die Berliner wahrten ihren Vierpunktevorsprung vor den Stuttgartern auf dem Relegationsrang, und auf Bielefeld als Vorletzter sind es weiterhin sechs Zähler – bei noch zwei ausstehenden Begegnungen. „Wir müssen das Positive mitnehmen“, sagte Boateng.

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Lucas Tousart köpft das 1:0 für Hertha BSC

Den Spielern fällt das offensichtlich weniger schwer als ihrem Trainer. „Wir fahren mit breiter Brust zurück nach Berlin“, behauptete Bundesligadebütant Wollschläger. Magath aber, der sich schon vor der Partie trotz der komfortablen Ausgangsposition auffallend vorsichtig bis verängstigt geäußert hatte, klang nach dem Unentschieden eher fatalistisch.

In der Pressekonferenz erzählte er, dass er bei seinem Amtsantritt in Berlin vor sechs Wochen davon ausgegangen war, nach der Saison mit Hertha in der Relegation auf seinen früheren Klub, den Hamburger SV, zu treffen. „Darauf arbeite ich nicht hin“, sagte Magath. „Aber es würde mich nicht wundern, wenn es zu dieser Konstellation käme.“

Der HSV hat dank seines Zwischenhochs tatsächlich wieder Chancen auf die Relegation, bei Hertha aber müsste in den Begegnungen gegen Mainz und in Dortmund schon einiges schieflaufen, um noch auf den drittletzten Platz abzurutschen. Ungefähr so viel wie in den Schlussminuten in Bielefeld. Bis zum späten Ausgleich hatten die Berliner das Spiel klar im Griff. „Wir haben es über weite Strecken gut kontrolliert“, sagte Magath

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Seine Mannschaft war ausreichend eifrig gegen den Ball, ließ der Arminia wenig Raum und geriet gegen die offensiv biederen Bielefelder selten in Gefahr. Zudem hatten die Berliner die besseren Gelegenheiten. Meistens war Davie Selke beteiligt. Sein erster Kopfball nach zwei Minuten war noch zu harmlos. Das sah Mitte der ersten Hälfte schon deutlich besser aus, als Herthas Mittelstürmer nach einer präzisen Flanke von Marvin Plattenhardt zum Abschluss kam, aus drei Metern aber am glänzend reagierenden Stefan Ortega scheiterte.

Die Bielefelder hingegen zeigten auch gegen Hertha, warum sie die schwächste Offensive der Liga stellen und Angriff nicht so ihr Ding ist. „Jeder zerreißt sich“, stand auf einem Banner in ihrer Kurve. Aber nach vorne ging bei den Arminen nichts. Nach 37 Minuten griff Herthas Torhüter Marcel Lotka zum ersten und einzigen Mal vor der Pause ein, als Masaya Okugawa recht frei vor ihm auftauchte. Nötig war es nicht, weil der Japaner im Abseits gestanden hatte. „Es war ein typisches Abstiegsduell, vom Beginn bis zum Ende“, sagte Magath. Mit viel Kampf, wenig spielerischer Klasse, mit Spannung auf den Rängen und viel Dramatik zum Schluss.

Die zweite Halbzeit begann deutlich forscher – weil Bielefeld mehr Risiko einging und durch Routinier Gonzalo Castro die große Chance zur Führung hatte. Sein Schuss flog über das Tor. Und so fiel der erste Treffer dann auf der anderen Seite. Nach einer Ecke von Plattenhardt war Lucas Tousart in der 55. Minute mit dem Kopf zur Stelle und erzielte das 1:0.

Zu diesem Zeitpunkt und mit diesem Treffer war Hertha, vor wenigen Wochen noch scheinbar aussichtslos dem Untergang geweiht, gerettet. Bielefeld hingegen war der Verzweiflung nahe und schien nicht mehr in der Lage, den Sieg der Berliner noch in Gefahr zu bringen. Dann begann die Nachspielzeit.