Das Museum der bildenden Künste entdeckt Olga Costa: Die Leipziger Mexikanerin

Zweifelnd, fast ablehnend blickt die Malerin auf dem Bild. Das grüne Kleid betont ihre hellen, so ganz und gar nicht lateinamerikanische Klischees bedienenden Augen. Ihren dünnen Pinsel hält sie eher beiläufig in der Hand. Das Selbstporträt von Olga Costa (1913-1993), entstanden 1947, ist aus vielerlei Gründen ein Schlüsselbild – nicht nur, weil es den visuellen Einstieg in die einzigartige Leipziger Retrospektive bildet.

Erst im Februar jenes Jahres 1947 hatte die junge Frau die Staatsbürgerschaft Mexikos angenommen – veritable 22 Jahre nach ihrer Ankunft aus Deutschland. Insofern akzeptierte sie mit dem Konterfei jetzt gleichsam ihre neue Heimat, so sparsam wie typisch auf dem gemalten Umfeld ersichtlich.

Warum dann die skeptische Haltung der 33-Jährigen? Vielleicht weil sich die Selbstfindung der Exilantin Olga Costa von der musikalischen Tochter eines ukrainischen Violinisten hin zur bildenden Künstlerin lange hinzog. Wenn sie für ihre Berufswahl immer noch Bestätigung gebraucht hätte, so ereignete sich diese ebenfalls 1947. Der Palast der schönen Künste in Mexiko-Stadt zeigte eine Ausstellung mit Selbstporträts aus 200 Jahren, exklusiv von einheimischen Künstler*innen. Die Zweiflerin mit dem dünnen Pinsel war ganz selbstverständlich mit dabei – als mexikanische Malerin.

Parallel zu Costas eigener Identitätssuche vollzog sich in dem seit 1919 kommunistisch regierten Land eine nationale Selbstfindung. Wie in der frühen Sowjetunion – und doch ganz anders – rangierte auch hier die Kunst im Klassenkampf ganz vorn. David Alfaro Siqueiros, gemeinsam mit Diego Rivera und Jose Clemente Orozco Galionsfigur der propagandasatten Wandmalerei, verfasste 1924 ein Manifest des „muralismo“.

Er forderte künstlerische Anklänge an indigene Ästhetik und Formensprache ein. Anstatt endlosen Fortschritt zu beschwören, mahnte er Rückbesinnung auf Traditionen an. Für Olga Costa waren diese Direktiven stilprägend. Sowohl ihre statuarischen Frauengestalten wie auch üppige, ornamentale Arrangements aus Früchten berufen sich auf Elemente und Farben der lokalen Folklore.

In der Obsthändlerin, „La vendedora de frutas“ (1951) verschmelzen beide Themen zu einem sinnlichen Fest. Denn es galt, nicht nur die kulturelle Selbstbestimmung Mexikos ins Bild zu setzen, sondern auch den bisher errungenen Wohlstand. In dieser sonnigen, agrarischen Region wurden Feldfrüchte wie Zuckerrohr, wurden Melone und Mispel zu Nationalsymbolen. Als patriotische Ikone kam das zwei mal zweieinhalb Meter große Auftragswerk rascher zu Weltruhm als seine Urheberin.

Dass „Die Obsthändlerin“ als ein zertifiziertes Kulturerbe Mexikos nach Leipzig reisen durfte, grenzt auf den ersten Blick an ein Wunder. Doch handelt sich um die erste monografische Schau von Olga Costa in Europa, die das Team um Museumsdirektor Stefan Weppelmann zusammengestellt hat. Und damit nicht genug: Leipzig ist der Geburtsort der Künstlerin.

Olga Costas Eltern, Jankel und Ana Kostakowsky, übersiedelten 1913 von Odessa in die vielversprechende Musikstadt. Letztlich blieben Leipzig und etwas später Berlin nur Zwischenstationen für Olga, die den slawischen Familiennamen schon 1935 zu Costa latinisierte.

Mit ihrem Ehemann, dem Künstlerkollegen José Chávez Morado, wurde die Malerin zur festen Größe in den progressiven Kunstzirkeln Mexikos, lernte den Genuss des Tequila von Diego Rivera, bereiste die pittoresken Regionen des Landes und stellte gemeinsam mit Rosa Rolanda, María Izquierdo sowie Frida Kahlo aus.

Die Leipziger Ausstellung bettet Costas Arbeiten in dieses Umfeld der mexikanischen Moderne ein. Als „Leipziger Mexikanerin ehrenhalber“ wird sie zur generösen Gastgeberin in eigener Sache: Ein kleines Obst-Stillleben von Frida Kahlo flankiert Olga Costas monumentale Tehuana-Frau mit Wassermelone.   

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