Ein Lied gegen das Vergessen: Ex-Punk John Lydon bewirbt sich mit dem Song „Hawaii“ beim ESC
Der Eurovision Song Contest findet zwar wie jedes Jahr auch in diesem erst im späten Frühjahr statt, am 13. Mai in Liverpool. Den ersten Aufreger aber gibt es schon jetzt: John Lydon will mit seinem am Montag veröffentlichten Song „Hawaii“ dort antreten, für Irland.
Lydon wurde 1956 geboren
John Lydon, wer war das nochmal? Genau – früher nannte der Mann sich Johnny Rotten, amtierte als Sänger der Sex Pistols und forderte „Anarchy in the U.K.“ Danach war er mit seiner Band Public Image Limited (PiL) 1983 verantwortlich für einen der ikonischsten Songs der Post-Punk-Ära, dem enorm tanzbaren „This is not a love song“.
Die nächsten Fragen schließen sich da sofort an: Was will der Mann beim ESC? Zumal für Irland, ist Lydon doch 1956 in London geboren. Nochmal zeigen, dass Punk nicht nur sehr in den Jahren ist, um nicht zu sagen toter als tot? Was wiederum dem ESC in seiner erratischen Popmusikmischung naturgemäß völlig egal ist. Oder will er demonstrieren, dass einem Ex-Punker alles möglich ist, auch eine Band wie PiL mit ihrem Hintergrund ESC-Potential hat?
Lydons Großeltern sind Iren, deshalb Irland, und letztendlich ist John Lydon immer mal wieder für ungewöhnliche Aktionen gut, das meint er sich selbst schuldig zu sein. Sein Vorstoß in die bunte europäische Schlagerwelt hat aber auch einen ernsten Hintergrund: Lydon schrieb den Song „Hawaii“ für seine demenzkranke Frau Nora (die im übrigen die Tochter des einstigen Tagesspiegel-Verlegers und -Herausgebers Franz Karl Maier ist).
„Hawaii“ ist ein sehr schöner, elegischer Liebessong, mit Zeilen wie „Some begin again / We’re here / You and me … Remember me / I remember you / Hawaii“, mit Zeilen also, die die Erinnerung beschwören, die das Vergessen bekämpfen wollen. Ein sanfter irischer Folkeinschlag ist ebenfalls in dem Stück zu erkennen. Der wiederum erinnert an die wunderbaren Liebeslieder, die Shane MacGowan mit seinen Pogues geschrieben hat – und nicht zuletzt daran, dass MacGowan inzwischen gleichfalls ein trauriges Dasein führt.
Im Grunde müsste dieser Song den ESC locker gewinnen. Doch sind die Regularien des Wettbewerbs mit seinen Vorausscheidungen speziell. „Hawaii“ hat eine Hürde immerhin schon genommen und es in die sechs Titel fassende Vorauswahl Irlands geschafft. Sollte Lydon diese gewinnen, wird sein Lied für das ESC-Halbfinale eingereicht. Erst dann ginge es nach Liverpool, ausgerechnet. Hier die Beatles, dort die Sex Pistols: Mehr popistische Aufwertung könnte sich der ESC mit John Lydon in der Heimatstadt der Fab Four gar nicht wünschen.
Gerrit Bartels fand die Sex Pistols nur mäßig interessant, dafür PiLs „This is not a love song“ umso besser – und landete bei Prefab Sprout.
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