Wir sind dann mal weg
Auf einem Bildschirm fließt eine rote 3-D-Pixelmasse von einer undefinierten Formierungen in die nächste. Ursprünglich das Foto einer Backsteinmauer. Jetzt zukünftiges NFT-Material. Darüber driftet das Video in die Horizontale ab und will nicht enden – Volo Bevzas fotogrammetrische Arbeit und der Raum, Hand in Hand bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter?
Nicht ganz. Bewegt man Schritt und Blick nur einen Zentimeter zur Seite, ist die obere Etage plötzlich nicht mehr existent. Die Illusion wird hervorgerufen durch eine Spiegelfolie, die auf einem LED-Screen klebt und über den Köpfen der Besuchenden hängt. Dadurch fällt der Knick in der Optik zunächst kaum auf.
Mit „Out of Office“ wollen die Galerien Judith Andreae (Bonn), Burster (Berlin) und Evelyn Drewes (Hamburg) ihr Publikum in eine Art „Sehnsuchtsort und Projektionsfläche zugleich“ einladen. Neun Künstler:innen zeigen Malerei, Skulptur und Installationen, die innehalten lassen. Lukas Glinkowskis auf Fliesen und Spiegeln gemalte Flammen, Spinnennetze und Fratzen funkeln einen an vielen Stellen der Ausstellung wie Plattencover alter Heavy-Metal-Bands herausfordernd an.
Achim Riethmanns Werke entfachen hingegen die Energie eines kleinen Naturkundemuseums. Zu sehen gibt es darin Aquarellzeichnungen von Biomüll und Daunenjacken, umrahmt von glatten, industriell beschichteten Glasscheiben und hochgesteckte Motorradhelme, die von der Ferne aussehen, als wären sie mit einer Schokoglasur überzogen. Es handelt sich um Autolack.
Die Ausstellung fühlt sich an, als hätte man bei voller Fahrt auf der Autobahn auf den Standby-Knopf gedrückt und beginnt nun zu reflektieren: Was machen wir da als Menschheit eigentlich gerade? Die Ausstellung erzählt vom Gefühl, endlich raus zu müssen. Kennt man doch den Begriff „Out of Office“, so ihr Titel, sonst als automatisierte Email-Antwort.
[Charlottenstr. 2, bis 1.5.; 11–19 Uhr]
Aber wohin soll’s gehen? Physisch raus aus dem Heimbüro, rein in ein kulturelles Get-together? Ja! Mental raus aus allem Weltschmerz? Mitnichten. Victoria Pidust zoomt mit dem iPhone Eierschalen, Zitronen oder Tentakeln heran. Ob Foto oder Gemälde lässt sich aufgrund der Pixel nicht erkennen. Lev Khesin mischt Silikon mit Pigmenten zu teils groben, teils filigranen Farbverläufen auf Holz und Dibond.
Pidust und Bevzas – beide in der Ukraine geboren – schweißten wenige Wochen vor Ausstellungsbeginn noch Straßensperren in Lwiw zusammen, um russische Panzer zu stoppen. Lev Khesin ist Russe und lebt schon lange in Berlin. Eine Flucht ist das hier also nicht, raus aus allem, sondern hier ist man gemeinsam.