Fotoausstellung in der Schwartzschen Villa: Auf den Spuren des Marmors

Schiffswracks wie gestrandete Wale, karstige Felsen wie die Bühne für ein großes Drama. In ihren Fotografien verwandelt Christina Dimitriadis Orte und Nicht-Orte in eine besondere Lesart.

Lässt Steine sprechen, entdeckt in ihren über Jahrmillionen gewachsenen Formationen Gesichter und Geschichten zwischen antiker Vergangenheit, Gegenwart und der Zukunft des Planeten.

Reisen an die Ägäis

Ausgangspunkt für die griechisch-deutsche Künstlerin ist die Mittelmeerregion und insbesondere die Ägäis, die Dimitriadis seit nunmehr zehn Jahren bereist, durchwandert und mit fotografischen Mitteln erforscht.

„J’ai perdu mon Euridice – Ach, ich habe meine Eurydike verloren“ nennt die 1967 in Thessaloniki geborene Fotografin den letzten Teil einer Trilogie und ihre Einzelausstellung in der Schwatzschen Villa.

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Christina Dimitriadis entdeckt in den Formationen von Steinen Geschichten. Hier das antike Theater auf der Museumsinsel Delos.

© Foto: Christina Dimitriadis und VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Eine Anspielung auf Christoph Willibald Glucks „Orpheus und Eurydike“ und auf den antiken Mythos. Der Titel der späteren französischen Fassung von Glucks Oper impliziert biografische Aspekte. Als Jugendliche hat Dimitriadis in Griechenland ein französisches Gymnasium besucht und der Mythos selbst hat für die seit 1993 in Berlin lebende Künstlerin, die ihr Studium in New York absolviert hat, einen persönlichen Bezug.

Die Oma heißt Eurydike

Gemäß einem griechischen Brauch erhalten Kinder stets den Rufnamen der Großeltern und Dimitriadis‘ Großmutter hörte auf den Namen Eurydike. Durch die Intervention ihrer deutschen Mutter wurde mit dieser Tradition gebrochen, hat die Künstlerin ihre mythologischen Wurzeln verloren.

Die Fotografin Christina Dimitriadis lebt seit 1993 in Berlin.

© Christina Dimitriadis / Promo

Die biografischen Erfahrungen verknüpft Christina Dimitriadis mit dem Bild eines Kiesels, von dem, einmal ins ruhige Wasser geworfen, konzentrische Wellen ausgehen. Entsprechend wirken ihre Fotografien wie „eine Schwingung paralleler Kreise, die beim Individuum beginnt und sich zum Persönlichen, Sozialen, Politischen und Historischen bewegt“, so die Künstlerin.

Diesen weit gefächerten Bogen spannen auch die Bilder der Ausstellung. Sie führen nicht in die Unterwelt, aber an mythische Orte wie die Ruinen des Theaters auf der Museumsinsel Delos oder in den antiken Marmorsteinbruch auf der Insel Fournoi. Die ruhigen und farbig reduzierten Aufnahmen erzählen von den Männern, die den Marmor abgetragen haben, von den Menschen, Tieren und Pflanzen, die diesen Steinbruch, der heutzutage zum Unesco-Welterbe gehört, über die Zeitläufte begleitet, bevölkert und belebt haben.

In manchen der steinernen Partien glaubt man Köpfe zu erkennen. Ein Menschantlitz hier, das Ohr eines Esels da oder eine Skulptur, die an eine ägyptische Statue erinnert. Letzteres zudem ein Verweis auf die Vermischung der Kulturen, denn die Ägypter haben auch in Griechenland ihre Tempel hinterlassen.

Der Genius Loci aber auch als wiederum individueller Anker. „Ich komme aus einer Marmorfamilie“, sagt Dimitriadis. Ein Bezug auf Tradition, aber auch auf geschlechtsspezifische Verhältnisse und nicht zuletzt auf die Macht- und Herrschaftsbezüge des schönen, Erhabenheit und Ewigkeit symbolisierenden Materials.

Zugleich offenbaren sich die Spuren der brutalen Eingriffe des Menschen in die Natur. Die Wunden und Kratzer von Hämmern und Maschinen, von Schlägen und Brüchen, die dunklen Flecke, die die Witterung mit der Zeit in den weißen Marmor gezeichnet hat.

Kuratorin Christine Nippe zitiert den chinesisch-amerikanischen Geografen Yi-Fu Tuan und dessen „discerning eye“. Den scharfsinnigen Blick, das tiefe Wissen und die Erfahrungen, die Christina Dimitriadis’ ebenso komplexe wie intelligente Fotografien reflektieren und so berührend machen.

In ihrer Rede zur Eröffnung verwies Nippe auf Griechenland als Wiege des demokratischen Staates und darauf, wie dringlich die Erinnerung an diese Ursprünge und wie wichtig die Kunst von Christina Dimitriadis heutzutage angesichts der weltweiten Bedrohung der Demokratie sind.