Saudi-Arabien und der Handball: Die eingekaufte Weltklasse spielt vor
Egal ob im Golf oder Radfahren, im Fußball oder bei der Formel1 – überall hat Saudi-Arabien massive Bestrebungen angestellt, um Großveranstaltungen in die Wüste zu locken. Zumeist geht dies mit Diskussionen über eklatante Menschenrechtsverletzungen, die Trennung von Sport und Politik und mit Sportswashing einher. Ähnlich sollte es nun im Handball sein, wo das Königreich beim 49. Kongress der internationalen Handballföderation (IHF) das Interesse bekundete, die Weltmeisterschaft 2029 oder 2031 austragen zu wollen.
Überraschend ist der Vorstoß nicht. Schließlich hat der Wüstenstaat, dessen Handballverband erst 1975 gegründet wurde, in den letzten Jahren dem katarischen Vorbild folgend eine rasante Entwicklung hingelegt. Da wurden Vereinsstrukturen und Nachwuchsarbeit so stark aufgebaut, dass es jüngst gelang, Spieler wie den ehemaligen Berliner Petar Nenadic (Al Khaleej), der zuletzt bei Paris Saint Germain unter Vertrag stand, oder aber Melsungens André Gomes (Al Safa) in die spielerisch noch immer wenig herausfordernde saudische Liga zu holen.
Währenddessen wurde dem Nationalteam mit dem einstigen Füchse-Coach Erlingur Richardsson ein erfahrener Trainer vorangestellt. Gerüchten zufolge soll der saudische Handballpräsident Fadel Ali Al-Nemer zudem als möglicher Nachfolger von IHF-Präsident Hassan Moustafa im Jahr 2025 gehandelt werden.
Die sportliche Mammutaufgabe ist für die Teilnehmer finanziell überaus reizvoll.
Aktuelles Aushängeschild ist derweil mehr denn je der IHF Super Globe, der seit 2019 abwechselnd in Dschidda und Dammam ausgetragen wird. Die als Vereinsweltmeisterschaft bekannte Veranstaltung hat sich über die Jahre einiges an Prestige verdient. Wann kommen schon Klubs aus der ganzen Welt zusammen, haben Kontinentalmeister die Chance, sich mit absoluten Topteams wie dem FC Barcelona, Industria Kielce oder dem SC Magdeburg zu messen? Das ist die Champions League in eine Woche gepackt.
Die sportliche Mammutaufgabe, die in diesem Jahr vom 7. bis zum 12. November stattfindet, ist für die Teilnehmer finanziell überaus reizvoll. Kein Handballverein ist derart auf Rosen gebettet, dass er auf das üppige Antrittsgeld verzichten kann; als Siegesprämie winken rund 400.000 Euro. Das wiegt die gesellschaftspolitische Schieflage zwar nicht auf, demonstriert aber einmal mehr den Fakt, dass Geld den Sport bestimmt. Zumal der Wettkampf einen weiteren Aspekt in sich trägt: Gegen einen Fußball haben sie auf der ganzen Welt schon gekickt, aber aufs Tor geworfen? Im Handball geht es noch immer darum, die Reichweite zu vergrößern und die eurozentristische Sichtweise zu überwinden. Ausvermarket ist die Sportart noch lange nicht.
Für den saudischen Markt ist dieses Anliegen derweil eine willkommene Investitionsquelle – zumindest was die Männer angeht. Nur einmal, 2019, fand der Super Globe der Frauen statt. Doch der damals in China ausgetragene Wettkampf scheiterte an ökonomischer Unterstützung und organisatorischen Problemen. Auf der arabischen Halbinsel fanden sich hierfür keine Abnehmer.
Dass Frauen in der Monarchie lange davon abgehalten wurden, öffentlich Sport zu betreiben, ist bekannt. Ebenso, dass Frauenrechtlerinnen ebenso brutal verfolgt werden andere Gegner*innen des Systems.
Doch wie wird die Einführung der Frauen-Fußballliga Ende 2020 wahrgenommen, wie die Strukturreform, die im Handball vor zwei Jahren angestoßen wurde? „Wir stehen noch ganz am Anfang. Handball ist noch neu in Saudi-Arabien und alle Frauen sind begeistert, dabei zu sein“, wurde in diesem Zusammenhang Schiedsrichterin Hessa Mastoor Al-Thbiti in einer offiziellen Mitteilung zitiert. Für die Frauen sei der Sport ein Weg, sich ausleben zu können. Ein Schritt zur Gleichberechtigung und zu mehr Respekt in der Gesellschaft.
Inwiefern Großveranstaltungen dabei helfen können, diesen Prozess voranzutreiben oder ob sie wie bei den jüngsten Turnieren der Welt schönende Werbung sind, die genauso schnell verpufft, wie die Aufmerksamkeit, die damit verbunden ist, bleibt zu diskutieren.