Während in der Ukraine die Bomben fallen, hören wir Musik
Eine chinesische Dirigentin, ausgebildet in Peking, die es nach Amerika gezogen hat, dazu ein in Russland geborener Israeli als Solist: Das sind die Gäste, mit denen das Orchester der Komischen Oper Berlin im eigenen Haus ein Sinfoniekonzert gibt.
Es ist der 23. Tag des russischen Krieges gegen die Ukraine, und die Musik genießt die Internationalität und den Frieden im Sinn der Kunst, wie ein Spendenaufruf zum Schluss anklingen lässt. Während Wladimir Putins russische Truppen ihre Angriffe auf ukrainische Städte unvermindert fortsetzen, darf Romantik gehört werden. Die Sorgen vertreibt sie nicht.
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Das Programm mit Werken aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist auf Leichtigkeit gestimmt und thematisiert schließlich, dass der Frühling aufblüht. Aus der Biografie Beethovens ist Ferdinand Ries nicht wegzudenken, sein Schüler aus einer Musikerfamilie in Bonn, der ihm als Bewunderer und Freund lebenslange Anhänglichkeit bewahrt. Ries dirigiert Beethovens Neunte in Aachen, hilft ihm in Wien, soviel er kann, und wirbt für ihn in London.
Ein effektvolles Stück „Schauerromantik“
Seine eigene Konzertouvertüre zu Schillers „Braut von Messina“ macht aus dem Drama im Geist des antiken Theaters ein effektvolles Stück „Schauerromantik“ mit lyrischen Einschüben. Wie Schillers Tragödie in jener Zeit präsent ist, lässt sich in Beethovens Tagebuch erkennen, in dem der Komponist einen Passus aus der „Braut von Messina“ zitiert.
Die Dirigentin Xian Zhang, geboren 1973, stellt sich als ein Energiebündel dar. Geschickt blätternd in den vor ihr aufgeschlagenen Partituren, ist sie mit deren Inhalt leidenschaftlich vertraut. Ihre Gestik hat pantomimische Qualitäten, sie scheint die Melodien zu malen. So auch den Höhenflug der „Frühlingssinfonie“ von Robert Schumann. Dabei läuft sie Gefahr, in eine Hektik zu geraten, mit der sie die freie Entfaltung der Musik stört.
Das temperamentvolle Dirigat scheint die Musiker eher zu irritieren
So betont sie im langsamen Satz jeden Akkord und wird mitgerissen vom überschwänglichen Finale. Offensichtlich scheuen manche Mitglieder des Orchesters den Blick zum Dirigentenpult, weil der Motionsrausch der Dirigentin sie eher irritiert. Als Musikerin versteht Zhang so viel, dass sie mit weniger dirigentischem Nachdruck mehr erreichen könnte. Sympathisch, wie ihr Temperament eine Liebe zu deutscher Romantik bezeugt.
Sergei Nakariakov bezaubert Orchester und Publikum mit dem Trompetenkonzert von Johann Nepomuk Hummel. Versteht sich, dass ein Virtuose wie er die Girlanden des Soloparts mit leichter Spielmanier beherrscht. Aber über das figurative Element hinaus fasziniert seine Interpretation, weil sie mit beseeltem Klang die Trompete als Melodieinstrument feiert.