Das furiose Comeback nach sechs Jahren Funkstille mit dem Verband
Nun ist es ganz offiziell: Eisschnellläufer Felix Rijhnen feiert im kommenden Monat mit 31 Jahren seine olympische Premiere. Der Wahlberliner mit hessischer Eislauf-Sozialisation gehört zu den ersten 20 Athlet*innen, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für die Spiele in Peking nominiert hat. Es ist der Höhepunkt eines kuriosen Comebacks, das offenbart, wie abstruse Strukturen im deutschen Spitzensport Karrieren erschweren.
Als im Februar des vergangenen Jahres Matthias Große, Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), bei Rijhnen anrief, um das Comeback zu ebnen, lagen rund sechs Jahre Funkstille zwischen dem Sportler und dem Verband. Von „verlorenen Jahren“, spricht Rijhnen, zumindest was das Eislaufen geht. Im Inline-Skaten, seiner zweiten Profession, feierte er hingegen große Erfolge.
Zweimal gewann er jeweils WM- und EM-Gold, 2019 war er der erste deutsche Sieger beim Berlin-Marathon, der als größte Speedskating-Veranstaltung der Welt gilt. „Ich hatte tolle Jahre, aber was das Eislaufen angeht, könnte ich auf einem ganz anderen Level sein“, sagt der gebürtige Darmstädter.
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In seiner ersten Phase als Eisschnellläufer bis zum Jahr 2015 war er ebenfalls nicht unerfolgreich. Rijhnen hatte bereits an einer Junioren-WM teilgenommen, sich zudem einen Startplatz im Weltcup erkämpft. Zur damaligen Zeit gab es von Verbandsseite allerdings noch nicht die Bereitschaft, dem Sportler neben der Eisschnelllauf-Karriere auch Zugeständnisse zu machen, sich auf den Rollen entsprechend weiterzuentwickeln.
Schwieriger Wechsel von Asphalt auf Eis
Inzwischen hat sich das geändert. Was auch viel mit Alexis Contin zu tun hat. Der Berliner Stützpunkttrainer hat als Sportler gezeigt, dass man sowohl auf Rollen als auch auf Kufen erfolgreich sein kann. Der Franzose sicherte sich elf WM-Titel mit den Inline-Skates und zwei WM-Bronzemedaillen auf Schlittschuhen.
„Wir brauchen beides, sowohl die klassischen Eisschnelllauftalente als auch die Sportlerinnen und Sportler, die beim Inline-Skaten Erfahrungen gemacht haben“, sagt Contin. Die Skater auf Rollen bildeten ein wichtiges Reservoir. „Der Einstieg hier ist viel einfacher.“ In den vergangenen Jahren habe man viele Erfahrungen sammeln können, wie sich die Disziplinen besser vereinen lassen.
Und so entstand der erneute Kontakt zu Rijhnen, der sagt: „Eine so große Unterstützung habe ich noch nie von der DESG erfahren, und so habe ich mich ins Auto gesetzt und bin nach Berlin gefahren, um zu schauen, wie sich das anfühlt.“
Die ersten Eiserfahrungen nach dem Comeback waren vielversprechend, Rijhnen schloss sich der Berliner Trainingsgruppe an. „Das Medium Asphalt gegen Eis zu tauschen, ist aber eine riesige Herausforderung“, weiß Rijhnen. „Ich kann von der Physis profitieren, die ich mir über Jahre aufgebaut habe, aber technisch war und bin ich noch immer weit vom Optimum entfernt“, sagt er. Hier fehlen eben genau die sechs Jahre Eiserfahrung zwischen 2015 und 2021.
Bei allen Ähnlichkeiten gibt es bei beiden Skate-Disziplinen eben doch große Unterschiede. Die Rollen beim Inline-Skaten sind zirka ein Zentimeter breit, die Kufe beim Eisschnelllauf ist etwas bereiter als ein Millimeter. „Bei der Balance und beim Gleitverhalten macht das einen riesigen Unterschied“, sagt Rijhnen. „Dann ist die Position beim Eislaufen deutlich tiefer, statischer, die Muskeln werden anders beansprucht.“
Positive Coronatests im Umfeld
Der Comeback-Plan ist für alle Beteiligten dennoch voll aufgegangen. „Ich sammle so viele neue Erfahrungen, das ist genial“, sagt der Sportler. Am vergangenen Wochenende bestritt er im niederländischen Heerenveen seine ersten internationalen Meisterschaften als sogenannter Senior. Trainer Contin sagt: „Es ist ziemlich beeindruckend, wie schnell er sich eingefunden hat. Aber wir hatten natürlich den Plan, dass er sich für Olympia qualifizieren kann.“
In Mailand 2026 traut er ihm bei einer ähnlichen Entwicklung sogar eine Medaille zu.
In Peking wird Rijhnen über die 5000 Meter und im Massenstart eingesetzt. Um den Traum durch eine Coronainfektion nicht noch zu gefährden, heißt es nun noch mehr, auf sich zu achten. Zwei Erlebnisse in jüngster Zeit haben ihn aufschrecken lassen: „Erst wurde mein Zimmerkollege bei einem Lehrgang positiv getestet, kurz darauf wurde bekannt, dass bei einer Flugbegleiterin die Omikron-Variante festgestellt wurde“, erzählt Rijhnen.
Zweimal musste er in Quarantäne, ohne aber direkt betroffen zu sein. Jetzt gilt es, die letzte Etappe zu meistern auf dem Weg, sich den großen sportlichen Traum zu erfüllen. Und als Beispiel voranzugehen, dass Inline-Skater auch auf Schlittschuhen richtig schnell sein können. Es könnte ein Signal des Aufbruchs im deutschen Eisschnelllauf sein.