Postmoderne in der Bundeskunsthalle Bonn: Von Subkulturen, neuen Kulturtempeln, Punk und TechnoPop
Im Jahr 2022 bestand die Bundeskunsthalle in Bonn 30 Jahre. Sie ist ein Glücksfall für das Rheinland, denn beinahe stünde sie in Berlin. Als 1991 der Bundestag den Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin beschloss, war der Bau von Gustav Peichl schon zu mehr als 50 Prozent fertig und an ihren Umzug nicht mehr zu denken. Das Jubiläum wird am Rhein mit einer leichten Verspätung, aber auf lustige Weise gefeiert. „Alles auf einmal. Die Postmoderne, 1967-1992″, heißt die Ausstellung. Als das Gebäude 1992 eröffnete, war die Postmoderne allerdings weitgehend beendet.
Im Vergleich zum modernen Rigorismus von Mies van der Rohe in der Neuen Nationalgalerie ist es ein verrückter Bau. Schon um 1970 hatte Robert Venturi den internationalen Stil mit den Worten verhöhnt: “Less is a bore”. Die Bundeskunsthalle hält sich in ihren Außenformen an die Devise: “Form follows fun”. Mit ihrer aztekisch auskragenden Freitreppe, den zauberhutförmigen Lichtkegeln und der großen Rutsche wirkt sie wie ein Scherz.
Nur die Postboten ärgern sich, denn sie finden den Eingang nicht. Das hätte “Mies” besser gemacht, der das gesamte Erdgeschoss der Neuen Nationalgalerie als Schaufenster präsentiert.
Als “Lernen von Las Vegas” betitelten Venturi, Scott Brown und Izenour 1972 ihr Buch, das die Kuratoren der Bonner Bundeskunsthalle zu ihrem spektakulären Parcours mit 350 Exponaten inspirierte. Intendantin Eva Kraus hatte die Postmoderne in Wien hautnah angesichts der architektonischen Scherze von Peichl, Hollein, Coop Himmelb(l)au und Memphis miterlebt.
Mit Theorie um sich werfen
Und Kolja Reichelt, der Programmkurator für Diskurs, kennt die Architektursprache Berlins. Er hatte an der FU Philosophie und Neuere Deutsche Geschichte studiert, beim “Tagesspiegel” begonnen und den Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste erhalten. Kraus und Reichelt werfen sich nun im Katalog die Bälle zu. Da geht es im Schnellgang durch Thesen von Derrida, Foucault oder Barthes, von Warhol-Kopien und Aids-Kampagnen. Und was sie dort nicht loswerden, hängt als Info-Blätter in der Ausstellung.
Gleich im ersten, dunklen MTV-Raum steht bei visueller und audiovisueller Überforderung ein roter Buzzer bereit, den die Besucher drücken dürfen, falls ihnen die Musikvideos von Annie Lennox mit Sweet Dreams oder David Finchers Video für Madonnas Vogue zu viel sind.
Wirbelig bestückter Hauptraum
Im Kontrast zu dieser Box ist der Hauptraum hell und überschaubar. Aber er ist so wirbelig bestückt, dass die Kuratoren eine grüne Kunsthecke als Leitlinie setzen, um die Kunstgänger durch die Schau zu führen. Sie dürfen nicht einfach zu Alessandro Mendinis breit gelagertem, buntem Pünktchen-Sofa rennen, sondern müssen zunächst die Pflichtlektüre absolvieren, etwa den Nachbau des postmodernen Altenheims mit der funktionslosen Antenne von Venturi, die “Bubbles” von Coop Himmelb(l)au oder die Architekturaufbrüche von Matta Clark.
Die Ausstellung präsentiert Themen zur Informationsgesellschaft, Entfesselung der Finanzmärkte, zu Subkulturen, den neuen Kulturtempeln, zu Punk und TechnoPop. Es wird zitiert, was das Zeug hält. Ein einziges Mal gibt es Ruhe in einem Eckchen. Dann darf sich der Besucher setzen und über Kopfhörer den Thesen des amerikanischen Architekten Charles Jencks zur “zwitterhaften” Postmoderne lauschen.
Architektur ist alles. 1977 bekam der britische Architekt James Stirling den Auftrag zur Erweiterung der Staatsgalerie Stuttgart und schuf das Meisterwerk der Postmoderne in Deutschland. 1978 inszenierte Charles Moore für die italienische Community in New Orleans seine kulissenhafte “Piazza d’Italia” als Forum mit römischen Säulen und der Stiefelform Italiens als Steg über einen Brunnen. Humorig wirkt Hans Holleins Verkehrsbüro als orientalische Fantasie mit Messing-Palmen, während Edward Said auf einem Riesenposter warnt, dass der Orientalismus eine Erfindung des Westens sei.
Viele Warnungen
Die Schau hat lauter begehbare Bilder von der Verwandlung des Wolkenkratzers zur Kaffeedose etwa. Aber es wird auch pausenlos gewarnt, brachte doch die Finanzwirtschaft den Investmentbanker und der Kulturkapitalismus den Rechtspopulismus hervor. Am Schluss überblendet das Trio von General Idea den Bilderkanon der Kunstgeschichte mit einer AIDS-Kampagne. Ironisch verändern die Künstler das berühmte Love-Logo von Robert Indiana, der Ikone der Hippie-Bewegung. Aber zwei der Künstler überlebten die Postmoderne nicht.
Der Architekt der Bundeskunsthalle, Gustav Peichl, wollte nicht als postmodern verstanden werden, dabei lieferte er genügend exzentrische Beispiele für “Alles auf einmal”. Für den “Kanzler der Einheit” aber war der Bau an der Helmut-Kohl-Allee die monumentale Antwort auf das Centre Pompidou. Als er 1992 eröffnete, war der Kalte Krieg zu Ende und Francis Fukuyama erklärte in seinem Buch „das Ende der Geschichte“.