Gefahr im Verzug

Der erste Mumins-Comicstrip, der in Fortsetzungen in einer Zeitung gedruckt wurde, 1947 war das, beginnt mit einer Triggerwarnung: „Die Welt geht unter!“ steht in fetten schwarzen Lettern neben einer Mumin-Figur, darunter der Hinweis, dass „die unheimlich spannende Fortsetzungsgeschichte“ an einem Freitag beginnt.

Und schließlich: „Für ganz kleine Kinder verboten! Achtung!“, letzteres wieder fett und in Initialen, auf schwedisch: OPS.

Tove Jansson, die Erfinderin und Zeichnerin der Mumins, hatte zu diesem Zeitpunkt schon Erfahrungen mit Cartoons gesammelt, beim Satiremagazin „Garm“, und auch zwei Mumins-Bücher geschrieben und veröffentlicht: „Mumins lange Reise“ und „Komet im Mumintal“.

Beide wurden nicht gut verkauft, vermutlich weil sie eher düster waren. Kometen und Stürme bedrohen darin das Mumin-Tal, das „sehr schön“ war, wie es in „Komet im Mumintal“ heißt, „voller glücklicher kleiner Wesen und großer grüner Bäume“. 

Schön kuschelig in ihrer Bauchigkeit

Umso aufgeschlossener war Jansson, als ihr Freund Atos Wirtanen, Chefredakteur der Wochenzeitung „Ny Tid“, ihr diese Serie anbot, die in 25 Fortsetzungen ein halbes Jahr gedruckt wurde. Titel und Triggerwarnung zeigen es an: Auch diese Geschichte hat bedrohliche Momente, die jedoch immer wieder durch die Figuren aufgefangen werden.

Muminvater, Muminmutter und Mumin wirken freundlich-sympathisch, kuschelig in ihrer Bauchigkeit. Auch als das erste andere Wesen auftaucht, der „sehr nasse und deprimierte“ Bisam, und den Weltuntergang prophezeit, möchte man dieses vor allem knuddeln und liebkosen.

Obwohl Jansson derweil schon an einem dritten Mumins-Buch schrieb („Eine drollige Gesellschaft“), griff sie für den „Ny-Tid“-Strip auf die Geschichte „Komet im Mumintal“ zurück. Nach und nach tauchen auf der Weltuntergangsvermeidungsexpedition die anderen Wesen aus dem Mumins–Kosmos auf: das Schnüferl, die Hatifnatten, der Schnupferich, der Hemul, der Schmetterlinge fängt, und sein Verwandter, der Briefmarken sammelt, und noch einige andere.

Ihren allerersten Auftritt hier aber haben Tofsla und Vifsla, zwei „ausländische“, langnasig-schlackerige Wesen, die der Schmetterlings-Hemul in einem Insektenglas gefangen gehalten hat. In Tofsla und Vifsla imaginierte Jansson sich und ihre Geliebte Vivica Bandler, die wiederum 1946 in Helsinki „Komet im Mumintal“ als Theaterstück inszeniert hatte.

Die Morra beendet das Fest im Wald

Jansson lässt ihre Wesen von einer Verlegenheit in die nächste geraten. Sie gehen auf Stelzen über das Meer, haben Schwierigkeiten in einem Kaufladen, feiern ein Fest im Wald, das durch die Unheil bringende Morra beendet wird – und dann ist da ja noch der Komet, der die Welt und damit auch das Mumintal bedroht.

Aber ein Rettungsboot bietet Schutz. Wie sagt es am Ende Mumin zu seiner großen Liebe, dem Snork-Fräulein: „Ich hatte die ganze Zeit den Verdacht, dass diese Geschichte gut ausgeht.“

Auch für Tove Jansson wurde in der Folge vieles gut: Ihr drittes Mumins-Buch verkaufte sich besser als die beiden anderen. Und 1952 sollte sie von der britischen „Evening News“ das Angebot einer wöchentlichen Comicstrip-Reihe über sieben Jahre bekommen. Das nahm sie an, und die Mumins wurden schließlich weltberühmt. Ist inzwischen das gesamte Werk von Jansson ins Deutsche übersetzt, neben den Mumins-Büchern auch alle Prosawerke, so fehlte bislang dieser erste lange Comicstrip für „Ny Tid“.

Die Lücke hat die im norddeutschen Brake ansässige Georg-von-der-Vring-Gesellschaft nun geschlossen und „Mumin und der Weltuntergang“ vom Mumins-Experten Christian Panse aus dem Schwedischen übersetzen lassen. (Schünemann Verlag, Bremen 2022, 72 Seiten, 19, 90 €.) Oben die originalen Zeichnungen und die damals noch darunter stehenden Texte, und darunter wiederum Panses kongeniale, die so schön schwebenden Eigentümlichkeiten von Janssons Prosa perfekt herausarbeitende Übersetzung – dieses Buch ist ein Schmuckstück. Und, wie stets bei Tove Jansson: Mehr noch als für Kinder für Erwachsene.