Saisonauftakt bei Spectrum Concerts: Klangprächtige Kammermusik
Es muss nicht immer Brahms oder Schubert sein. Bei den Spectrum Concerts Berlin offenbart auch Unbekanntes seine oft unterschätzte Qualität, zeigt, wie gerade Kammermusik zum Prüfstein kompositorischer Fähigkeiten werden kann. So wird auch das Eröffnungskonzert der 35. Spectrum-Saison zum umjubelten, standing ovations hervorrufenden Erfolg. Bewundernswert, wie sich hier Leidenschaft, Risikofreude und ungebrochene künstlerischer Integrität über die Jahre hinweg erhalten lassen und immer wieder faszinierende, berührende Musikerlebnisse ermöglichen.
Die Wende zum 20. Jahrhundert wird für das Spectrum-Ensemble stets zur Fundgrube erstaunlicher Neuentdeckungen. Ernö von Dohnányis Serenade für Violine, Viola und Cello op. 10 ist gleich zu Beginn einfach ein Knaller. Der Landsmann und Studienfreund des vier Jahre jüngeren Avantgardisten Béla Bartók entwickelt aus dem spätromantischen Idiom eine eigene Sprache.
Frappierende Virtuosität
Sein Erfindungsreichtum erlaubt ihm eine knappe, niemals geschwätzige Diktion bei gleichzeitig üppiger Klangsinnlichkeit. Dass drei Instrumente wie ein ganzes Orchester klingen können, demonstrieren Boris Brovtsyn, Hartmut Rohde und Jens Peter Maintz mit frappierender Virtuosität kontrapunktisch verwickelter oder im Unisono rhythmisch scharfgeschnittener Passagen, die dennoch immer transparent bleiben.
Ein kecker Marsch macht den Anfang, dem Maintz mit großem Celloton ein aufbegehrendes, eher „slawisches“ Motiv entgegensetzt. Rohdes Bratsche zeichnet hellfarbig die „Romanza“, das Scherzo entwickelt burleske Schärfe in spielerischer Einmütigkeit. Das variantenreiche Andante, das witzige Finale entzücken durch Melodienseligkeit und Musizierlust, hinter der sich große Kompositionskunst versteckt.
Bei Sergej Tanejews G-Dur-Quintett, in dem Mohamed Hiber an der 2. Violine und Torleif Thedéen mit dem 2. Violoncello hinzutritt, ist das eher umgekehrt. Vor allem im unendlichen Finale-Variationssatz, in dem sich ein unschuldiges Liedthema zu einer Tripelfuge à la Max Reger auswachsen muss, stehen kontrapunktische Finessen dem klaren musikalischen Fortgang im Wege. Trotzdem ist auch dieses Werk ein fesselndes, leidenschaftliches, klangprächtiges Stück Musik, in dem man um Ausdruck und Tonschönheit wetteifert.
Der Bratscher Gareth Lubbe fügt einen ganz anderen Ton als Rohde, weicher und fülliger, hinzu. Die beiden können ihren unterschiedlichen Klang im Sextett von Erich Wolfgang Korngold in anregenden Dialog bringen. Hier entsteht ein zauberhaftes Klanggewebe, angeführt von Brovtsyns süß-schlankem, nie vordergründig dominierendem Violinton, das im Adagio fast „impressionistische“ Färbung, im „Intermezzo“ charmant wienerisches Flair annimmt.