Freiheit, schöner Götterfunken
Kann Kunst das Leben ändern? Unbeantwortet wie so oft schwebt diese Frage über dem rührenden Projekt eines Unkrainian Freedom Orchestra, das ukrainische Mitglieder europäischer und ukrainischer Klangkörper mit Geflüchteten aus der Ukraine vereint, um ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen, Putins Angriffskrieg in ihrer Heimat. „Da leuchtet mir ein Farbenbogen“: Das Licht der Freiheit spricht aus Beethovens Leonore, wenn sie dem despotischen Gouverneur eines Staatsgefängnisses den Kampf angesagt hat: „Abscheulicher! Wo eilst du hin?“
Dann intoniert sie im „Fidelio“ „die wahrste Arie der Hoffnung“, wie Ernst Bloch die himmlische Musik genannt hat. Obwohl die ukrainische Sopranistin Liudmyla Monastyrska mit ihrer Superstimme besser ins italienische Repertoire passt, ist diese Arie zielsetzender Mittelpunkt im Konzertprogramm des Orchesters unter dem Prinzip Hoffnung.
Eine Woche nach seinem Warschauer Gründungskonzert gastiert das Ukrainian Freedom Orchestra in Berlin. Gefördert von der Metropolitan Opera New York und der Polnischen Nationaloper, geht es auf eine Initiative von Keri-Lynn Wilson zurück, der kanadischen Dirigentin mit ukrainischen Wurzeln. Sie erweist sich als eine Autorität am Pult.
Obwohl hier Erwachsene musizieren, genießt das Ukrainian Freedom Orchestra die unterstützende Einladung von „Young Euro Classic“ und bestreitet darum den Auftakt des Jugendorchestertreffens im Konzerthaus. Da erfahrene Musiker an den führenden Pulten sitzen, leuchtet aus dem frisch gegründeten Orchester ein Wunder harmonischen Zusammenspiels. Man hört intensiv aufeinander, alles ist Engagement, Aufmerksamkeit und Respekt vor der Dirigentin Wilson, die in der Begleitung der Solistinnen besondere Einfühlung zeigt.
Mit zärtlicher Brillanz spielt die ukrainische Pianistin Anna Fedorova das f-Moll-Konzert von Frédéric Chopin, im Larghetto gebettet auf den Wohllaut eines behutsamen Klangteppichs. Robuster gerät die Vierte von Brahms. Das verdankt sich nicht nur der enthusiastischen Interpretation Wilsons, sondern auch der eigentlich zu großen Besetzung.
Begreiflich aber und durchaus imponierend, dass viele mitspielen wollen im Freiheitsorchester. Das setzt sich natürlich auch für den ukrainischen Landsmann Valentin Sylvestrov ein, der mit Tochter und Enkelin aus Kiew nach Berlin geflohen ist. Seine „Elegie“ stand neulich auf dem Programm der Berliner Philharmoniker, und er genießt ein internationales Renommee. Eine Zwölfton-Phase hat er hinter sich gelassen, um seine eigene Sprache einer farbig instrumentierten Neoromantik zu entwickeln und seinem „Musikgedächtnis“ zu folgen.
Silvestrovs Symphonie Nr. 7, Weltpremiere 2004 in Kiew, führt von schrill verzweifelten Rufen in lyrische Mahler- Nähe, die sich spannungsvoll ins Pianissimo zurückzieht. Ukrainische Musiker und Musikerinnen, ob Komponist oder Pianistin, zeichnen sich durch eine besondere Empfindsamkeit für das innerste Wesen der Melodie aus.