Dem Naumburger Dom droht der Entzug des Welterbestatus – vor Ort herrscht Unverständnis

Die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg haben auf einen möglichen Entzug des Welterbetitels für den Naumburger Dom mit Unverständnis reagiert. Der von Lukas Cranach dem Älteren (1472-1553) für den Westchor des Naumburger Doms geschaffene Marienaltar sei lange vor der Entstehung von Denkmalpflegebehörden für den liturgischen Dienst der Naumburger Domkirche geschaffen worden, sagte eine Stiftungssprecherin am Freitag in Naumburg.

Der jetzt wiederhergestellte Altaraufsatz diene dem Gottesdienst, ökumenischen Andachten und zahlreichen weiteren liturgischen Handlungen.

Zugleich betonte die Stiftung, dass Entscheidungen über den Welterbetitel einzig und allein das Welterbe-Komitee treffe. Im März habe die Stiftung dem Unesco-Welterbezentrum in Paris den Plan einer auf drei Jahre befristeten Aufstellung des Altarretabels schriftlich angekündigt. Das nun vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (Icomos) für die Unesco erstellte Gutachten kenne die Stiftung erst seit Anfang Juli.

Objekt des Streits ist der wieder aufgestellte Marienaltar im Westchor des Doms, der in Teilen aus dem Jahr 1519 stammt. Fast 500 Jahre nach dem Verlust der Mariendarstellung 1541 in der Mitte des Kunstwerks von Cranach sind die beiden originalen Altarflügel nun durch ein neues Mittelteil sowie einen Sockel ergänzt worden.

Das neue Bild stammt vom Leipziger Künstler Michael Triegel. Am vergangenen Wochenende wurde der Altar im Dom im Rahmen einer ökumenische Vesper eingeweiht. Der Westchor des Doms habe damit seinen liturgischen Mittelpunkt zurückgewonnen. Kirchenrechtlich bestimme die Gemeinde, und nicht der Denkmalschutz, wie der Dom genutzt werde, so die Sprecherin der Domstifter.

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Nach Auffassung von Icomos stört der Altar die Blickachse auf die Stifterfiguren. Deshalb müsse über die Aberkennung des Titels für den Dom diskutiert werden, heißt es.

Hier habe der Denkmalschutz allein den Tourismus, aber nicht die lebendige Kirchengemeinde im Blick, sagte der Regionalbischof des Propstsprengels Halle-Wittenberg, Johann Schneider, am Freitag. Zudem würde die Debatte auf Grundlage eines Votums von Icomos geführt, dem noch nicht einmal ein Beschluss der Unesco-Kommission vorausgegangen sei.

Regionalbischof Schneider glaubt, es handele sich vielleicht auch um Rache des Welterbe-Komitees

Schneider betonte zudem, dass der Westchor der ursprüngliche Platz des mittelalterlichen Kunstwerks vor seiner teilweisen Zerstörung im 16. Jahrhundert gewesen sei. Dies bedeute, dass der Dom den Titel nicht hätte bekommen können, wenn der Altar nicht vor 500 Jahren zerstört worden wäre, so Schneider.

Schneider verwies weiter darauf, dass Icomos bereits 2018 gegen die Verleihung des Welterbetitels gewesen sei, das Welterbe-Komitee den Bedenken jedoch nicht gefolgt sei. „Möglicherweise geht es hier auch um Rache“, sagte der Regionalbischof.

Die Naumburger Stiftung kündigte für Herbst ein Symposium an. Dazu sollen Gegner und Befürworter des Altar-Projekts eingeladen werden, damit die Argumente öffentlich ausgetauscht werden könnten, erklärte die Stiftungssprecherin. (epd)