Geschlecht und Gesellschaft: 40 Jahre „Feministische Studien“
Disziplinierte Disziplinlosigkeit und fröhliche Gelehrsamkeit hatte sich die Soziologin Christel Eckart von den „Feministischen Studien“ einmal versprochen. Was ist nach 40 Jahren davon geblieben? Die Macher:innen sind wie ihr Projekt zwar in die Jahre gekommen, aber immer noch „optimistisch und beflügelt“, wie es im Vorwort zur Jubiläumsausgabe (Band 40/Heft 1) heißt.
Genau genommen ist die „Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“ 1982 zwar entstanden, doch coronabedingt musste das Fest aufgeschoben werden. Für die Frauenbewegung, insbesondere die Etablierung der damals so genannten Frauenforschung, war es ein aufregendes Jahrzehnt. Der Gegenstand war brisant und Interdisziplinarität in der akademischen Landschaft ein schöner Traum. Was heute als Intersektionalität daherkommt, war mit den Begriffen von Race, Class und Gender aber schon damals ein Thema.
„Woher wir kommen“ lautet das Motto des Jubiläumsheftes, und es wird eingelöst mit einigen biografisch geprägten Rückblicken, die etwa an den Kampf erinnern, in der ehrwürdigen Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine „Sektion Frauenforschung“ durchzusetzen. Aus deren Umfeld kamen die späteren, nach wie vor ehrenamtlich arbeitenden Herausgeberinnen: Deren sozial- und kulturwissenschaftliche Herkunft ist bis heute nicht zu verleugnen.
Aufbühen der Gegenöffentlichkeit
Die „studien“ reihten sich ein in die damals aufblühende feministische „Gegenöffentlichkeit“, an die die langjährige Geschäftsführerin Ulla Wischermann erinnert, im Unterschied zu anderen Publikationen jedoch mit dem erklärten Willen, akademisch arbeitenden Frauen ein Forum und eine Veröffentlichungsplattform zu bieten. Dass sie es aufgrund der strengen Textauswahl inzwischen sogar in den Social Science Citation Index geschafft haben, ist eine Leistung angesichts des publizistischen „Laientheaters“, als das die „studien“ einmal begannen.
Deren „Hinterbühne“, die Kärrnerarbeit und die nicht immer schwesterlichen Debatten, leuchtet die emeritierte Frankfurter Soziologin Ute Gerhard aus. Sie ist 1988, nach kurzfristiger Einstellung der Zeitschrift, mit einer neuen Gruppe von Frauen 1988 das Wagnis der Neugründung eingegangen. Es war ein die „ganze Person einnehmendes und forderndes“ Projekt, schreibt sie. Es ging um nichts weniger als „eine Verständigung über die Bedeutung von Geschlecht in der Totalität gesellschaftlicher Verhältnisse“. Radikale Analyse und wissenschaftlicher Anspruch waren nicht immer leicht einzulösen in einem unübersichtlichen Feld, das die zu einer jüngeren Generation gehörende Julia Gruhlich anhand von 77 Themenheften analysiert und auch auf „blinde Flecken“ befragt.
Einer dieser Flecken war die DDR-Frauenbewegung. Zwar wurde 1990 ein viel beachtetes Heft zur DDR-Frauenforschung in Umlauf gebracht, doch wirklich zusammengekommen sind die beiden Bewegungen nie – weder in der Realität noch in der Zeitschrift. Das gilt auch für die aktuelle Ausgabe (Band 41/Heft 1), in der frau vergeblich nach ostdeutschen Perspektiven sucht – wie auch nach der Sicht von People of Colour. Immer am Rande der ökonomischen Existenz, aber wissenschaftlich etabliert, scheint es auch den zweimal jährlich erscheinenden „Studien“ schwer zu fallen, den Anschluss an die neueren „Feminismen“ zu finden. Und eingeholt werden sie wie viele andere auch von der digitalen Transformation auf dem Zeitschriftenmarkt. Noch aber lebt dieses sorgfältig gemachte Periodikum. Die Schätze, die es in vier Jahrzehnten aufgehäuft hat, sind erst noch zu bergen.