Deutsche Fußballerinnen: Hrubesch sieht noch Luft nach oben

5:1 gewonnen, Rückkehr geglückt – doch ganz so rosarot wollte Horst Hrubesch seine alte und neue Fußballwelt nicht malen. Zwar gab der 72-Jährige gerne zu, dass er sein Comeback als Interims-Bundestrainer der deutschen Fußballerinnen genossen hat. „Gefallen hat’s mir allemal“, sagte das HSV-Idol nach dem Nations-League-Heimsieg gegen Wales, „ich glaube an diese Mannschaft, ich glaube an die Qualität“.

Doch trotz der fünf Tore sah Hrubesch auch den einen oder anderen Kritikpunkt. „Dass nicht alles rund läuft, davon bin ich eigentlich ausgegangen“, sagte er mit Blick auf die Leistung seines Teams vor über 20.000 Fans in Sinsheim: „Ich denke, wir müssen einfach sicherer spielen – ruhiger im Aufbauspiel noch, wesentlich weniger Fehler machen.“

Doch so wie Hrubesch an sein Team glaubt, vertrauen auch die Fußballerinnen in ihren Coach. Spaß und Freude habe dieser vermittelt, und „natürlich ist die Lockerheit wiedergekommen“, sagte Doppeltorschützin Lea Schüller. Nach dem Ärger rund um die pausierende Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat Hrubesch mit seiner geradlinigen Art die Stimmung im deutschen Frauenfußball schlagartig angehoben.

8

Siege hat Horst Hrubesch als Interimstrainer der DFB-Frauen in neun Spielen eingefahren

Vor allem die 25 Jahre alte Schüller überzeugte mit zwei Kopfballtoren. „Bei Lea wissen wir, dass sie es kann“, sagte der frühere Kopfballspezialist Hrubesch, aber: „Da geht eigentlich noch viel, viel mehr. Das habe ich ihr direkt nach dem Spiel auch gesagt. Sie weiß auch, dass ich kritisch bin.“ Die Stürmerin des FC Bayern habe nun mal „mehr Möglichkeiten“.

Das DFB-Team wahrte derweil die Möglichkeit, den Gruppensieg aus eigener Kraft zu schaffen. Der härteste Rivale Dänemark siegte auf Island allerdings ebenfalls (1:0) und bleibt Tabellenführer (neun Punkte) vor Deutschland (sechs). Nur der Erste zieht in das Nations-League-Finalturnier ein, bei dem Anfang 2024 zwei Tickets für die Olympischen Spiele in Paris vergeben werden.

Hrubesch will als ehemaliger Stürmer offensiver spielen lassen

„Ich sollte eigentlich immer ballfern sein und auf die Flanken warten, dann eben mit Tempo in den Ball reinlaufen. Dann sagt er, ist es einfacher“, erklärte Schüller das Wirken des Europameisters von 1980. Von dem profitiert sie persönlich offenbar besonders. Bei Hrubeschs Debüt 2018 als Frauen-Bundestrainer hatte es viermal geschüllert. „Er als Stürmer weiß halt, wo man stehen muss und will uns das, Poppi und mir, weitergeben. Und heute hat es halt mal wieder funktioniert“, erklärte Schüller.

Poppi, das ist Alexandra Popp, die unter Voss-Tecklenburg selten mit, sondern oft statt Schüller gespielt hatte. Gegen Wales fehlte die 32 Jahre alte Kapitänin wegen muskulärer Probleme, Schüller durfte von Beginn an ran – was ohnehin der Fall gewesen wäre, wie Hrubesch beteuerte. Er bevorzugt auf dem Platz mehr Offensivpower, mehr Spielerinnen, die nachweislich Tore erzielen können, die Tempo und Technik vereinen.

„Wir haben jetzt eben mit Horst ein bisschen etwas anders gemacht“, erklärte Schüller, die in Hrubeschs anfänglichem 4-4-2-System als vorderste Spitze die Aufgabe hatte, möglichst weit in der gegnerischen Hälfte zu stehen, um „den Platz groß zu machen“.

Dass das in Hälfte eins trotz guter Möglichkeiten nicht immer klappte, war eines der von Hrubesch angesprochenen Probleme. Er hätte sich gewünscht, dass seine Elf die 1:0-Führung „klarer“ wegspiele, erklärte Hrubesch. Denn: „Wenn du sie vorne nicht machst, dann kriegst du sie hinten.“

Sein Team fasste das maue 1:1 zur Pause ähnlich auf. „Wir waren selber genervt“, sagte Schüller, „wir haben einfach die Tore nicht gemacht.“ Das sollte sich dann nach der Pause ändern – sehr zur Freude des alten und neuen Interims-Trainers.