Über das Gelingen
Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.
Sagt ja niemand: dass es einfach sei. Inmitten einer Pandemie Gesundheitsminister zu werden, schon das war vertrackt. Aber wieso sagt Karl Lauterbach im Juli 2022, dass er den Jüngeren, jenen unter 60, die Viertimpfung empfehle?
Warum – wenn es doch explizit dem Rat der Ständigen Impfkommission (Viertimpfung ab 70 Jahren) und dem der EU (ab 60) widerspricht und nur verstärken kann, was Lauterbach beklagte, als er noch nicht Minister war – Vielstimmigkeit und Unordnung, darum Orientierungslosigkeit und Gleichgültigkeit?
Und warum wirkt Wladimir Putin nach fünf Monaten der Sanktionen gefestigt und selbstgewiss, während wir im Westen um unsere Volkswirtschaften fürchten und schockstarr hoffen, dass er uns wieder Gas schicken möge?
Besonders schwierig sind die Antworten nicht. Lauterbach ist ein impulsiver Mann vom Fach und kann nicht anders, wenn er glaubt, dass er recht habe; das glaubt er oft, und das große Ganze fällt ihm zwar auch stets ein, aber hinterher, und dann staunt er. Und Russland ist nicht klüger oder robuster als der Westen, aber das Leid der Bevölkerung spielt für das Moskauer Machtgefüge keine Rolle; und der Westen hat auch gar nicht schlecht auf Putins Krieg geantwortet, er hat bloß im Rest der Welt, in Indien, China, Afrika oder Südamerika, kaum mehr Glaubwürdigkeit, was mit der auf Lügen aufgebauten Irak-Invasion und allerlei sonstiger Doppelmoral zu tun hat.
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Ich möchte hier weniger über Schwäche, sondern über etwas anderes nachdenken, gerade jetzt: Wie gelingt es? Wie denken und handeln jene, die in unserer diffizilen Welt Erfolg haben?
Von einer Heiligen Dreifaltigkeit des Gelingens spricht Alastair Campbell. Er nennt drei Grundlagen von Erfolg: Strategie, Führung und Mannschaftsspiel. „Die Strategie ist Gott“, schreibt Campbell, der zehn Jahre lang Kommunikationschef des Premierministers Tony Blair war, in der Zeit ein bisschen und danach so richtig für das Buch seines Lebens recherchierte: „Winners – and how they succeed“.
Manchmal kann man auch von Steve Jobs lernen
Große Anführerinnen und Anführer seien deshalb groß, weil sie die punktgenau richtige, klare Strategie entwickelten und erklärten – große Teams setzten dies in einer turbulenten Welt um. Campbell umschreibt die Reihenfolge des Denkens mit dem Akronym „Ost“: „objective, strategy, tactics“. Zuerst müsse feststehen, was eigentlich erreicht werden solle; darauf sei der Plan auszurichten, aus welchem die kurzfristigen Entscheidungen hervorgingen, die von Konkurrenz, Umständen, Zufällen beeinflusst würden. Margaret Thatcher habe ihr Ziel stets gekannt und von ihren Unterlingen deshalb eingefordert: „I know the what. Don’t tell me the what. Tell me the how.“ Winston Churchill habe gesagt: „Ganz egal, wie wundervoll die Strategie ist, hin und wieder sollte man auf die Ergebnisse blicken“.
Als Steve Jobs 1997 zu Apple zurückkam, fand er die Firma „irrelevant“, weil sie dies und jenes oder auch alles und nichts produzierte. Jobs formulierte Ziel und Strategie in zwei Wörtern, „Überleben“ und „Vereinfachung“. Die Simplifizierung meinte bessere und weniger Produkte, meinte auch Arbeitsweisen, Kommunikation, Hierarchien, Design. Recht bald konnte Apple sein Ziel und danach die Welt und unser aller Leben verändern.
Manchmal ist es eben auch nicht diffizil. Es wirkt nur leider nicht so, als wüssten die Bundesregierung oder die EU oder gar die Weltgemeinschaft, was sie im dritten Jahr der Pandemie eigentlich erreichen wollen; und auf welche Weise.
Und was war noch mal das Ziel des Westens im Ukraine-Krieg?