Kaiserlich-chinesische Kunst digital
Die Feuerle Collection, eine der ungewöhnlichsten Kunstsammlungen der Stadt, logiert in einem ehemaligen Telekommunikationsbunker in Schöneberg. Deren Gründer, Désiré Feuerle, ist ehemaliger Galerist aus Köln, Kunstsammler und Kurator aus Leidenschaft, wie er selbst sagt. Feuerle, der sich schon als junger Mensch für Gegensätze interessierte, kombiniert kaiserlich-chinesische Möbel und antike Statuen aus Südostasien mit zeitgenössischer Fotografie und Kunst.
Die Inszenierung der so unterschiedlichen Stücke ist bis ins Detail ausgeklügelt, das Erlebnis wie eine spirituelle Reise geplant. Ein dunkler Eingang mit Musik von John Cage sorgt für eine Moment der Einkehr bevor man die Halle betritt.
Die Werke sind in der dunklen Betonarchitektur akribisch ausgeleuchtet, die sakrale Anmutung wird durch die Aktbilder junger Frauen des japanischen Künstlers Nobuyoshi Araki konterkariert. All das gibt es nun digital zu betrachten. Unter einer VR-Brille. Das erstaunt.
Geht Slow Art auch digital?
Désiré Feuerle hat oft beteuert wie wichtig die direkte Konfrontation mit den Werken ist, das Alleinsein mit der Kunst, das Wahrnehmen der Aura der Skulpturen und Möbelstücke, ohne immer sofort eine Beschriftung zu lesen. Ohne Audioguide. Googeln geht im abgeschirmten Bunker sowieso nicht.
Die pure Begegnung. Slow Art, der langsame Kunstgenuss, ist ein Stichwort, das die Feuerle Collection früh für sich verwendet hat. Und jetzt, wo das Prinzip mehr und mehr verstanden wird, löst sich die Sammlung vom Unmittelbaren und sucht den Weg ins Digitale. Warum?
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Feuerle wollte bei der Digitalisierung seiner Sammlung authentisch bleiben. Zwar ist die Kamerafahrt mit Musik unterlegt, Texte gibt es aber nicht. Das Berliner Studio für Videotechnologie „Art Visit“ hat eigens einen Kamera-Roboter für 360°-Filme entwickelt, der hochauflösende Aufnahmen selbst im Dunkeln machen kann. Heiner heißt er, fährt selbständig auf einem dreibeinigen Stativ herum.
Die Auflösung ist mit 18k so hoch, dass es aktuell keine Geräte gibt, die das überhaupt so detailliert wiedergeben könnten. Was Heiner filmt, ist zu gut für diese Welt. Zukunftsmusik. Bilder für das Internet von morgen.
Neue Kameraentwicklung
Hat man die VR-Brille auf, schwebt man scheinbar über den Khmer-Skulpturen aus Bronze und Holz, über den antiken Stein- und Gelehrtenmöbeln, selbst der Sound der Lüftung ist im Film integriert, die Oberflächen der Figuren sind in den feinsten Nuancen wahrzunehmen.
Angesprochen sind vor allem Besucher weltweit, die nicht eigens nach Berlin kommen können oder wollen, um die Sammlung zu sehen. Nachhaltigkeit, Inklusion und technologiegestützte Museumsarbeit sind Themen, die die Feuerle Collection als privates Haus mitvorantreibt. Gemeinsam mit der Berlinischen Galerie oder dem Technikmuseum, die ebenfalls mit VR-Technologie und Augmented Reality experimentieren.
Organisiert sind die daran interessierten Kulturhäuser übrigens im Verein Virtual Reality Berlin-Brandenburg.