Glanz und Gunst
Schlösser und Edelmetalle, was für eine historische Allianz. Und das Beste: Sie funktioniert mit der Ausstellung „Vergoldet – Doré“ sogar, wenn zeitgenössische Kunst auf eine spätklassizistische Villa trifft. Denn anders als es der Name Schloss Biesdorf vorgaukelt, ist dieser 1886 als repräsentatives Wohnhaus errichtete Bau nie ein Adelssitz gewesen. Höchstens ein Geldadelssitz, der zeitweilig als Siemensvilla bekannt war.
Seit der im Jahr 2016 beendeten Sanierung fungiert die Villa mit Turm und prachtvoller Säulenterrasse, die das hauseigene Café bespielt, als kommunale Galerie von Marzahn-Hellersdorf. Ein Idyll für Kunst und Kultur, das sich mit der S-Bahn inklusive kleinem Spaziergang durch den Park in einer halben Stunde vom Alexanderplatz aus erreichen lässt.
Im Erdgeschoss ist Toni Mau zu entdecken
Bevor es im Schloss Biesdorf hoch in die Hauptausstellung geht, lohnt sich ein Blick in die andere Schau dieses Sommers. Im Erdgeschoss erinnert das Kunstarchiv Beeskow an die Ost-Berliner Künstlerin Toni Mau. Von der 1981 verstorbenen Malerin, Bildhauerin und Hochschullehrerin stammt beispielsweise das prägnante Relief am Eingang der Kunsthochschule Weißensee.
Die Experimentierfreude ihrer freien Arbeiten wurde in der DDR leider nur wenig geschätzt. Umso interessanter, hier nun ihre fast psychedelisch anmutenden Siebdrucke aus den siebziger Jahren kennenzulernen, in denen Toni Mau eine fantastische und humorvolle Welt von Mikrolebewesen schafft. „Vergoldet – Doré“ ist eine Doppelausstellung, die der Kurator Harald F. Theiss erdacht hat. Eine Hälfte ist hier im Schloss Biesdorf zu sehen, die andere im Château de Nyon in der Schweiz, einer prunkvollen Festung am Genfer See.
Gelegentlich kämen Besucher nach Biesdorf, die ein historisierendes Innenleben in den sachlichen Veranstaltungsräumen vermissten, sagt Karin Scheel, die künstlerische Leiterin des Schlosses, das mit den hohen Fenstern, den großzügigen Fluchten und dem warmen Parkett durchaus eine erhebende Aura verströmt. Nur eben keine des 19. Jahrhunderts mehr. Denen könne sie angesichts der Schau jetzt sagen: „Wer Gold will, kriegt Gold, aber anders.“
Tatsächlich versammelt „Vergoldet – Doré“ Künstler wie Via Lewandowsky, David Krippendorff, He Xiangyu und Künstlerinnen wie Alicja Kwade, Ruth Campau und Luka Fineisen, die alles andere im Sinn haben, als das Edelmetall auf seine kunst- und kulturhistorische Bedeutung zurückzuführen. Im Gegenteil: Sie dekouvrieren das Metall, für dessen Gewinnung immer noch Landschaften geplündert werden, als Talmi, als Farbe des schönen Scheins.
Eine Farbe, die etwa in Johanna Reichs Video „Virgin’s Land“ am Beginn des Rundgangs trotzdem eine kostbare Wirkung erzeugt. Selbst wenn die schwarz gekleidete Künstlerin am Strand nur eine im Seewind knatternde goldene Rettungsfolie hochhält. Ähnlich wie Rettungswesten sind auch solche Folien längst ein irritierendes Requisit, das an Flüchtlingsdramen auf dem Meer denken lässt. Das ist der Bruch in der visuellen Poesie.
[Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, bis 21.8., Mi/Do 10-18 Uhr, Fr 12-21 Uhr, Sa-Mo 10-18 Uhr]
Eine ganz ähnliche Wirkung erzielt Panos Tsagaris, der für seine Arbeit „April 11, 2016“ aus der Serie „Golden Newspapers“ ein Titelblatt der „New York Times“ mit schimmerndem Blattgold bedeckt hat. Einzig der Kopf und das Titelbild der Zeitungsseite sind noch erkennbar. Das Schwarzweiß-Foto zeigt Geflüchtete an der Griechischen Grenze, die vor der Polizei fliehen.
Ein bitteres zeitgeschichtliches Dokument, dass die Vergoldung zu einer zweifelhaften Ikone erhebt.
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Eine ganz andere Wirkung haben die hochglanzvergoldeten Keramikskulpturen von Sebastian Neeb. Die beiden Skulpturen auf ihren Podesten aus groteskem Materialmix lassen zuerst an höfische Prunkhumpen denken. Doch entpuppen sie sich bei näherer Betrachtung als ironische Gnome und Fratzen, denen Gold nur als schlechte Tarnung ihrer fragwürdigen Gestalt dient. Noch witziger ist Neebs Goldschwarm vom Mini-Fratzenköpfen, die die Wände der Rotunde bedecken.
„Dilettante Kartoffeln wetteifern um die Gunst des Vaters“, so der Titel, ist mit Sicherheit nichts, was man erwartet, wenn man über den Glanz des Goldes nachdenkt. Dessen fragwürdige Seite thematisiert auch Luka Fineisen, die eine Serie von Modellhäusern vergoldet hat. Jede dieser „Immobilien“ sieht aus, als habe ein Riese seine Faust auf ihr Betongold aus Kunststoff sausen lassen.
Das Ergebnis sind Gebäude, deren Rendite nicht ganz so gesichert scheint, wie es die ach so krisenfeste Wertanlage Gold suggeriert. Ein Fragezeichen, das diese Ausstellung auf ganz überraschende Weise hinter den Nimbus des Metalls setzt, das in Form von Schmuck, Münzen und rituellen Gegenständen seit mehr als sechs Jahrtausenden das Leben der Menschen prägt. Und ihre Habgier anstachelt.