Kino sucht Sexsklaven

Für einen männlichen Kinostar ist es schon ein hartes Los, immer nur auf seinen Körper reduziert zu werden. Man(n) kann sich ja gar nicht vorstellen, wie entwürdigend sich das anfühlt, von den Blicken der Fans ausgezogen zu werden. Aber Elyas M’Barek ist natürlich ein ganz sensibler XY-Chromosomträger, ein vorbildliches Mitglied des Patriarchats. Inzwischen geht er – Ironie aus – ja fast schon als Elder Statesman der deutschen Comedy durch. Das wäre doch mal eine Rolle, die wirklich Furore machen würde: Elyas M’Barek als unbezahlter Sexsklave in einem feministischen Off-Theater.

Vorerst allerdings muss man sich wohl mit einem Auftritt als feministischer Stand-up-Comedian begnügen. Den Witz mit dem Sexsklaven macht M’Barek in Anika Deckers romantischer Komödie „Liebesdings“ übrigens selbst. Und verrät damit auch gleich die Idee zu einem möglicherweise viel lustigeren Film.

Man kann und darf vieles richtig finden am dritten Film der Regisseurin/Autorin, die sich erfolgreich aus dem Til-Schweiger-Dunstkreis befreit hat – was an sich schon keine geringe Leistung ist. „Liebesdings“ (über)erfüllt alle Kriterien eines zeitgemäßen Kinos: Es gibt queere, non-binäre und trans Figuren, (auch of color), Maren Kroymann spielt eine lesbische Stand-up-Komikerin – und irgendwo findet sich noch eine irre Nebenrolle für Martina Schöne-Radunski.

Tanznummer im Tamponkostüm

Der depressive Star Marvin Bosch (Typ: Junge mit schwieriger Kindheit), dem die weiblichen Fans zu Füßen liegen, landet auf der Flucht vor der Klatschpresse (Alexandra Maria Lara) von der Premiere seines neuen Films in einem Berliner Hinterhof, wo ein feministisches Theaterkollektiv um die sexuell frustrierte Frieda (Lucie Heinze) gerade eine Tanznummer in Tamponkostümen aufführt. Nicht nur Elyas M’Barek ist kurz irritiert. Soweit sieht also noch alles richtig aus in „Liebesdings“, auch wenn der Filmstandort Berlin einen im deutschen Kino immer unwillkürlich an Greenscreen denken lässt.

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Die flauen Witze und die stereotypen schwulen Figuren, die an Deckers Drehbuch zu Detlev Bucks Charleys-Tante-Verschnitt „Rubbeldiekatz“ erinnern – geschenkt. Man wünscht sich nach „Liebesdings“ vor allem, dass sich M’Barek endlich mal aus seiner Humor-Komfortzone (oder der des romantischen Frauenverstehers) herausbewegt. Einfach mal so richtig zotig auf die Kacke hauen – wenn eh schon die ganze Zeit über Sex geredet wird. Man spürt in nahezu jeder Szene, dass das nicht nur für M’Barek eine enorm befreiende Wirkung haben könnte – auch die deutsche Mainstreamkomödie hätte so ein Erweckungserlebnis dringend nötig. „Liebesdings“ ist aber nur die Klemmi-Variante.

(Seit Donnerstag in den Kinos)

Dass Frieda heimliche Gangbang-Fantasien hat, ist da noch die überraschendste Drehbuchidee; beim Sex mit Marvin behält M’Barek dann aber doch das Hemd an. Dafür, dass der Filmstar ein Problem mit seinem Image als Frauenschwarm hat, bleibt „Liebesdings“ dem Muster der Romantic Comedy auffallend treu. Warum schafft der deutsche Film nicht mal eine Komödie wie „Funny People“, in der Adam Sandler sein eigenes Image ziemlich drastisch überspannt?

Elyas M’Barek trägt dafür in „Liebesdings“ auf einer queeren Party eine Klitorismaske. Das gibt zwar lustige Promobilder – die Constantin bewirbt ihren Film ansonsten primär mit den Darstellerinnen –, auf diesem Niveau dümpelt die Diversitätskampagne des deutschen Kinos aber leider über hundert Minuten herum. Die Fernseh-Routinen von Carolin Kebekus sind bissiger als die Stand-up-Witze auf der Underground-Comedybühne. Man muss Anika Decker immerhin lassen, dass sie es ernst meint und nicht – wie etwa der Komödienspezi Sönke Wortmann – immer erst noch das entsprechende Ressentiment vorwegschiebt, um es dann vorzuführen. In „Liebesdings“ wird bereits ohne Zwinkern gegendert.